System-Chirurgie bei SAP-Migrationen

Mit der Methode System Landscape Optimization (SLO) lassen sich SAP-Installationen schnell und günstig migrieren und konsolidieren.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2007/16

     

Viele betriebliche Veränderungen wirken sich dramatisch auf die SAP-Systemlandschaften aus, zumal die IT-Abteilungen immer weniger Zeit haben, diese laufend den neuen Bedürfnissen und Zielen anzupassen. Zu den typischen Aufgaben zählen das Zusammenlegen und Zerschneiden von Mandanten, Buchungskreisen und sonstigen SAP-Organisationseinheiten, ebenso die Harmonisierung von Stammdaten.


Die Standardverfahren für Migrationsprojekte genügen diesen Anforderungen heute nicht mehr. Die SLO-Methode hingegen ermöglicht die automatische und lückenlose Übertragung aller historischen Daten – ganz gleich, wie komplex und umfangreich die Datenbestände auch sind. Die Fachbereiche im Unternehmen sind damit in der Lage, ohne Schulungen und Einweisungen wieder direkt im konvertierten System zu arbeiten. Darüber hinaus kann die System­umstellung in der Regel an jedem beliebigen Wochenende stattfinden. Dies ist möglich durch den besonderen Ansatz und die enorme Umsetzungsgeschwindigkeit von SLO. Ein weiterer Vorteil ist auch der Release-übergreifende Einsatz des Verfahrens, der dem Kunden aufwendige Release-Wechsel erspart.






Die Methodik eines SLO-Projekts


Manipulation auf Tabellenebene

SLO ist ein Migrationsvorgehen im SAP-Umfeld, das nicht wie üblich die Daten über die Anwendungsschicht in Systeme überführt, sondern unmittelbar auf Tabellen­ebene Manipulationen an den Daten vornimmt. Historisch entstammt dieses Vorgehen der R/2-R/3-Migration und wurde dann als R/3-R/3-Migrationsmethode weiterentwickelt. Durch die Veränderung der Daten direkt auf Tabellen­ebene ist SLO sehr flexibel, da die Tabelleninhalte beliebig modifiziert, gelöscht und umgeschlüsselt werden können. Wie aber ist es möglich, ohne Prüfung durch die Applikation wieder Konsistenz bei den tausenden Tabellen zu erreichen, die im SAP-Standard und den kundeneigenen Entwicklungen vorhanden sind?


Das Projekt-Vorgehen folgt einer strengen Systematik. Am Anfang steht eine fundierte Analyse der betroffenen Systeme, die abhängig vom Projektziel ist. Ein Beispiel: Sollen zwei Mandanten aus zwei Systemen in ein einziges System konsolidiert werden, analysiert die SLO-Methode zuerst das Respository und das Mandanten-unabhängige Customizing auf mögliche Konflikte. Im zweiten Schritt werden die implementierten Prozesse, Nummernkreise von Stamm- und Bewegungsdaten und ähnliches daraufhin untersucht, ob sie kompatibel sind, und mögliche Konflikte aufgedeckt.



Dies setzt selbstverständlich eine genaue Kenntnis des SAP- und Kunden-Datenmodells, der zugehörigen Business-Objekte sowie der Prozesse voraus. Die identifizierten Konflikte werden dann von den Fachbereichen des Kunden und den professionellen SLO-Prozessberatern des Dienstleisters gemeinsam in Form von Regeln gelöst. Diese Regeln werden in leistungsfähigen Werkzeugen hinterlegt, anschliessend die Umsetzungsprogramme generiert und vollautomatisch eingeplant. Dies sorgt bei den Projektmitarbeitern für eine maximale Transparenz und Sicherheit, die für solche komplexe Projekte unabdingbar sind. Dienstleister, die mit «Hand-am-Arm-Methoden» SLO-Projekte anbieten, setzen ihre Kunden einem grossen Risiko aus. Denn es geht in kritischen Situationen sehr leicht der Überblick verloren, zudem steht bei einem möglichen Ausfall eines Projektmitarbeiters kein Backup zur Verfügung.


Werkzeuge als Herzstück

Das Herzstück des SLO-Ansatzes sind also die Werkzeuge. Diese haben das Projektvorgehen fest implementiert und besitzen eine umfassende Regelbasis. Neben der Leistungsfähigkeit und Flexibilität liegt das Hauptaugenmerk sodann auf der Stabilität und Sicherheit der Methode, die durch ein standardisiertes Vorgehen gewährleistet wird – was durchaus in Analogie zu chirurgischen Verfahren betrachtet werden kann. Professionelle Tools haben umfassende Protokollierungen implementiert, um den Anforderungen der Wirtschaftsprüfer zu genügen. Grundsätzlich ist es auch möglich, SLO mit Standardmethoden zu kombinieren, so zum Beispiel bei der Umsetzung von Logistikinforma­tionen und der Konvertierung von Finanzdaten.


Nahezu unbegrenzte Einsatzmöglichkeiten

Die Einsatzmöglichkeiten der «System-Chirurgie» mittels System Landscape Optimization sind nahezu unbegrenzt. Typische Aufgaben sind die Ausgliederung von Unternehmensteilen, zum Beispiel in Werks- oder Profit-Center-Splits, oder das Verschmelzen von Mandanten, Buchungskreisen und Werken; hinzu kommt die Umstrukturierung von Unternehmen wie das rückwirkende Splitten von einem Buchungskreis auf einen bestimmten Stichtag.



Selbstverständlich können auch Prozesse harmonisiert oder einfach verteilte Systemlandschaften konsolidiert werden (siehe Praxisbeispiel Ammann Gruppe im Kasten). Auch werden bei Bedarf Archive umgesetzt.
Einige Anbieter sind darüber hinaus in der Lage, SLO Release-übergreifend anzubieten und gleichzeitig Harmonisierungs- und Release-Wechsel-Projekte durchzuführen. Die Gesamtkosten von SLO-Projekten liegen dabei – obwohl sie den Unternehmen höheren Nutzen bringen – erfahrungsgemäss weit unter dem Standardvorgehen.


Herkömmliche Migration genügt nicht

Der grosse Vorteil des System-chirurgischen Verfahrens ist der Erhalt der kompletten Historie, das heisst aller Bewegungsdaten, Änderungsbelege und Belegflüsse. Damit bleiben auch die Prozessketten bestehen, so dass vor der Migration keine laufenden Kontrakte, Projekte oder Belege abgeschlossen werden müssen. Das Standardverfahren für Migrationsprojekte – neues Customizing, Übernahme von Stammdaten, Salden, Beständen und offenen Posten – genügt diesen Anforderungen nicht. Da die Nummernkreise für Stamm- und Bewegungsdaten im Rahmen von SLO beliebig konvertiert werden können, gibt es für die Nutzer nach der Migration praktisch keine Umstellung. Dies erspart unter anderem den Schulungsaufwand und die Einarbeitungszeit, was erhebliche Vorteile für die Kunden bedeutet.



Durch die Flexibilität von SLO ist es möglich, Daten auch in der Vergangenheit beliebig zu verändern. Dank der hohen Umsetzungsgeschwindigkeit, die durch direkte Tabellenzugriffe ermöglicht wird, kann die System-chirurgische Umsetzung ausserdem an jedem beliebigen Wochenende durchgeführt werden. Im Gegensatz dazu ist das Standardvorgehen zwangsläufig immer auf den Beginn eines Geschäftsjahres oder -quartals festgelegt, was eine massive Einschränkung darstellt – denn der Migrationszeitpunkt muss mit dem Quartals- und Jahresabschluss zusammenfallen.


SOA nicht immer hilfreich

Die serviceorientierte Architektur (SOA) ist eine Philosophie, deren Fokus auf stark geschäftsgetriebenen Anwendungen mit einer hohen Flexibilisierung und der schnellen Einführung neuer Geschäftsprozesse liegt. Dies bedeutet, dass die Anwendungen in Komponenten realisiert werden, die nur lose gekoppelt in der Architektur eingebettet sind. Da diese Komponenten grundsätzlich von verschiedenen Herstellern zur Verfügung gestellt werden, kann der Kunde im Rahmen dieses Konzepts eine für sich optimale IT-Infrastruktur umsetzen. Die Datenintegration der einzelnen Komponenten wird durch Enterprise Application Integration (EAI)-Lösungen wie beispielsweise die SAP Exchange Infrastructure (XI) realisiert, die Benutzerintegration durch Portale, zum Beispiel SAP Enterprise Portal.



Auf Basis dieser SOA-Technologie ist bei einer Fusion von zwei Unternehmen die Integration verschiedener Systemlandschaften möglich. Eine tatsächliche Harmonisierung von Geschäftsprozessen oder Stammdaten ist damit allerdings nicht verbunden. Die Nutzer greifen lediglich über ein gemeinsames Portal auf ihre Altanwendungen zu, die über EAI miteinander kommunizieren. Des weiteren stellt der Betrieb von heterogenen Systemen auf n verschiedenen Plattformen und m verschiedenen Prozessvarianten die IT-Abteilungen vor grosse Herausforderungen; Synergien bleiben möglicherweise ungenutzt. Bei Umstrukturierungs- oder Split-Szenarien, wie sie bei Unternehmensverkäufen entstehen, hilft die SOA-Methode überhaupt nicht. Daher lässt die SOA-Philosophie auch in Zukunft breiten Raum für das Thema SLO.


Ausblick: Es bleibt viel zu tun

Im Fokus von SLO-Projekten stehen heute SAP R/3- und mySAP ERP-Umsetzungen. In Zukunft wird es eine Verlagerung auf die weiteren Komponenten der SAP Business Suite geben, vor allem auf SAP Customer Relationship Management (CRM) und SAP Business Information Warehouse (BI); dazu kommen ausserdem die Industrie-Lösungen der SAP. Doch auch damit ist das Potential nicht ausgeschöpft: Den nächsten logischen Schritt für die SLO-Nutzung stellen effiziente Migrationen von Non-SAP-Systemen auf SAP-Lösungen unter Beibehaltung der vollen Historie dar.


Erfolgreiche SLO-Migrationen bei der Ammann Gruppe

Die Ammann Gruppe in Langenthal meisterte mit der SLO-Methode zwei umfangreiche und äusserst komplexe SAP-Migrationsprojekte. Seit nahezu 140 Jahren am Markt, hat sich der führende Bauausrüster für Maschinen, Systeme und Dienstleistungen im weltweiten Strassenbau international mit verschiedenen Produktions-, Handels- und Servicegesellschaften etabliert, unter anderem in der Schweiz, in Deutschland und in China.

Die Geschäftsprozesse dieser Gesellschaften wurden mit zwei SAP R/3-Systemen abgebildet, die zu einer zentralen SAP-Infrastruktur zusammengeführt werden sollten. Zudem galt es im selben Migrationsprojekt, zwei Ammann-Gesellschaften zu einer einzigen zu konsolidieren.
Die SLO-Methode ermöglichte der Ammann Gruppe die automatische und gleichzeitig lückenlose Übertragung einer enormen Menge an Prozessen und Daten – und das unter Beibehaltung sämtlicher Historiendaten.
Info: www.ammann-group.ch


Der Autor

Dr. Andreas Schneider-Neureither ist Vorstand der SNP AG (www.snp.de). Sie erreichen ihn unter andreas.schneider-neureither@snp.de.




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