Online bewerben, aber richtig
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/05
Immer mehr Unternehmen selektieren neue Mitarbeiter elektronisch. Siemens Deutschland plant zum Beispiel, bis Herbst 2005 die gesamte Bewerbungs-Prozedur nur noch online abzuwickeln. Bei dem Unternehmen gehen bundesweit jährlich an die 65'000 Bewerbungen ein, die bearbeitet werden müssen. Zur Zeit entwickeln Experten bei Siemens eine spezielle Selektions-Software, die Fähigkeiten und Eigenschaften der Bewerber automatisch ermitteln soll.
Bei Siemens Schweiz geht man nicht ganz soweit, obwohl auch hier schon ein schöner Teil der Bewerbungen online eingeht, und die Bewerber grundsätzlich dazu aufgefordert werden, ihre Unterlagen elektronisch einzureichen. Auf das traditionelle Stelleninserat verzichtet man hingegen nicht. Bei Leuten, bei denen man das Gefühl hat, dass man sie online nicht erreicht, schaltet man nach wie vor Inserate in den Zeitungen. Diese Leute müssen aber trotzdem mit elektronischen Medien umgehen können. «Wir erwarten auch von den Bewerbern, die Print-Inserate sehen, dass sie sich online bewerben», sagt Siemens-Pressesprecher Benno Estermann. Mit dieser Strategie will man auch gut qualifizierte Arbeitnehmer ansprechen, die eine Anstellung haben und nicht aktiv auf der Suche sind. Bei Siemens ist man überzeugt, dass vor allem aktiv Suchende das Internet nach passenden Stellen absuchen. Alle anderen blättern gelegentlich eine Zeitung durch.
Siemens Schweiz hat zur Zeit rund 100 offene Stellen. In Zeitungsinseraten werden jeweils zwei bis drei Highlights ausgeschrieben und die Interessenten auf die Online-Datenbank verwiesen.
Die Vorzüge digitaler Bewerbungen liegen auf der Hand – sowohl für den Stellensuchenden, als auch für den Arbeitgeber. Der wohl grösste Vorteil ist dabei die Geschwindigkeit. Hinzu kommt, dass sich das lästige Kopieren dicker Dokumentenstapel auf ein Minimum beschränkt. Der Personalverantwortliche braucht nur auszudrucken, was er auch wirklich benötigt.
Neben Flexibilität und Tempo spielt auch die Kostenfrage eine erhebliche Rolle. Online-Bewerbungen sind sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Stellensuchenden billiger.
«Die Erfahrungen, die Siemens seit nunmehr zwei Jahren mit Online-Bewerbungen macht, sind äusserst positiv», so Estermann. Dafür spricht wohl auch die Tatsache, dass man nicht zum alten System zurückgeht.
Mit der Verbreitung der digitalen Bewerbungsprozedur stellt sich natürlich die Frage, wie man mit einer Online-Bewerbung zum gewünschten Erfolg kommt. Es gibt viele kluge Bücher, wie man eine vernünftige Stellenbewerbung formuliert. Ein Patentrezept gibt es aber nicht - und wird es wahrscheinlich auch nie geben. Zu unterschiedlich sind die Anforderungen der Arbeitgeber und zu individuell ist jeder einzelne Lebenslauf der Stellensuchenden. In vielen Fragen widersprechen sich sogar die Experten. In einem sind sie sich aber einig: nämlich darin, dass bei Online-Bewerbungen im Allgemeinen dieselben Richtlinien gelten wie bei klassischen Papierbewerbungen.
Zunächst gilt es abzuwägen, ob man die Bewerbung über das von immer mehr Firmen angebotene Online-Formular auf deren Website einreichen will oder ob man das Dossier mittels E-Mail übermittelt. Online-Formulare sind zwar bequem, haben aber auch ihre Nachteile. Insbesondere dann, wenn es sich um Profile handelt, die automatisch ausgewertet werden. «Die Ressourcen von Menschen, die eine individuelle Laufbahn haben, werden in so einem Profil häufig nicht genügend gewürdigt», sagt Peter Gisler, Laufbahnberater und Autor des mittlerweile 20'000 Mal verkauften Ratgebers «Stellensuche – be-Werbung – Vorstellung». Bei Online-Bewerbungen, wo die Profile vorgegeben werden, sei der Spielraum sehr begrenzt. Wenn man hingegen individuelle Unterlagen übermitteln könne, funktioniere es von den Grundregeln gleich wie bei einer Papierbewerbung, so Gisler weiter.
Wer seine Bewerbung per E-Mail verschickt, muss insbesondere auf zwei Sachen achten: Um die Mail möglichst schlank zu halten, sollte man nur das Allerwichtigste mitschicken. «Bei einem sehr umfangreichen Dossier ist es eine sinnvolle Alternative, die letzten zehn Jahre der Karriere zu dokumentieren. Den Rest bringt man ans Gespräch mit oder schickt es auf Wunsch nach», so Gisler. Dasselbe gelte auch für die Diplome. Eine weitere wichtige Regel ist es, dass man die Bewerbung keinesfalls an eine unpersönliche Info@Firma-Adresse schickt. «Unpersönlich adressierte Bewerbungen landen irgendwo», so Gisler. Vorabklärung tut also Not.
Die einfache Vervielfältigungsmöglichkeit verleitet dazu, Online-Bewerbungen, als Serienbriefe zu verschicken. Davon ist grundsätzlich abzuraten. «Serienbriefe verschlechtern das Klima für die Bewerbung, weil die Leute davon überschwemmt werden und schnell damit beginnen, diese zu löschen», sagt Gisler. Besser sei es, Spontanbewerbungen mit einem persönlich adressierten Mail und einem kleinen Begleittext, der auf eine bestimmte Aufgabe eingeht, zu verfassen. Dies schaffe einen guten Kontakt. «Der Personalverantwortliche merkt so, dass der Bewerber auf die Firma eingeht und schenkt der Bewerbung sicher eher Beachtung», so der Laufbahnberater.
Blind- und Spontanbewerbungen betrachtet der Experte als zweischneidig. Es gebe Arbeitgeber, die sich beklagen, dass sie zuviele davon erhalten, andere wiederum begrüssen es als billiges Rekrutierungssystem für den Fall, dass gerade eine entsprechende Stelle zu besetzen sei. «Entscheidend ist, dass man ein individuelles Angebot verschickt, so verärgert man niemanden. Wenn man hingegen sinnlos streut, wird das Instrument der Spontanbewerbung abgenutzt», so Gisler. Die Folge davon ist vielfach ein schneller Klick auf die Delete-Taste.
Bei Siemens erhält man die Bewerbungen am liebsten über das hauseigene Jobportal. Aber auch E-Mail-Bewerbungen werden gelesen. «Ein Bewerber, der eine E-Mail schickt, bekommt sicher eine Antwort», sagt Estermann. Mit der Antwort erhält er aber auch einen Verweis auf die Siemens-Homepage.
Eine Bewerbung auf dem Siemens-Jobportal funktioniert folgendermassen: Zunächst wählt der Interessent aus, ob er sich auf eine bestimmte, in der Jobbörse ausgeschriebene Stelle bewirbt, oder ob er eine Spontanbewerbung plazieren will. Bei einer Bewerbung auf eine ausgeschriebene Stelle muss erst einmal auf den Button «Bewerbung erstellen» geklickt werden. Jetzt wird der Bewerber aufgefordert, die Formulare «Persönliche Daten», «Fragebogen» und «Lebenslauf» vollständig auszufüllen. Schliesslich muss der aktuelle Lebenslauf als Datei beigefügt sowie ein Begleitschreiben mit den Berufswünschen und Zielen verfasst werden. Diese fünf Dokumente werden dann an die zuständigen Personalverantwortlichen weitergeleitet. Der Stellensuchende ist somit im System erfasst. Siemens verspricht auch, dass die Bewerbung, falls sie nicht auf die offene Stelle passt, auf andere vakante Positionen hin überprüft wird.
Ausserdem stellt Siemens ein Tool für Spontanbewerbungen bereit. Dessen Funktionsweise ist ähnlich und ermöglicht dem Bewerber, sein Profil in der Datenbank für allfällige spätere Jobangebote zu hinterlegen.
Die so hinterlegte Bewerbung bleibt bei Inaktivität während einem Jahr in der Datenbank gespeichert. Wichtig ist es, dass die Unterlagen während dieser Zeit vom Bewerber gepflegt und stets auf den neusten Stand gebracht werden.
Über die Firma Bescheid wissen.
Im Gegensatz zu Siemens Deutschland, wo eine erste Vorauswahl zukünftig automatisch geschehen soll, selektiert man bei Siemens Schweiz nach wie vor von Hand. «Es gibt keine automatischen Filter, die beispielsweise schon bei der Altersangabe selektieren», versichert Benno Estermann. Somit sei auch gewährleistet, dass gewisse Bewerber beispielsweise durch das Alter nicht benachteiligt seien. Den ältesten Mitarbeiter, den Siemens letztes Jahr eingestellt habe, sei immerhin 57 Jahre alt. Mehr Sinn machen Filter gemäss Estermann bei den unterschiedlichen Geschäftsbereichen. Dadurch sei gewährleistet, dass eine Bewerbung auch beim zuständigen Personalverantwortlichen landet.
Marcel Eckstein vom HR-Marketing bei Siemens betrachtet ein Web-Formular als Eintrittsschlüssel: «Man hat zwar keine Selbstdarstellungsmöglichkeit, trotzdem muss man sich richtig und vor allem ehrlich darstellen.» Man soll aussergewöhnliche Sachen hervorheben, aber nicht die Struktur aufbrechen, so dass sich der Lesende in ein neues Konzept einlesen muss. Ausserdem rät Eckstein den Bewerbern unbedingt, sich vorgängig über die Firma zu informieren. «Das A und O bei einer Online-Bewerbung ist, dass der Bewerber die Informationen, die das Unternehmen online zur Verfügung stellt, gelesen hat, bevor er sich bewirbt.» Denn spätestens beim Interview müsse er sowieso über das Unternehmen Bescheid wissen.
Ob sich ein Stellensuchender nun mittels klassischer Papierbewerbung oder über elektronische Medien um eine neue Stelle bemüht, hängt ganz von den Wünschen des zukünftigen Wunscharbeitgebers ab. Obwohl viele Firmen (vor allem KMU) immer noch auf die traditionelle Art setzen, verbreitet sich die Online-Bewerbung insbesondere im IT-Bereich rasch. Um unliebsamen Überraschungen vorzubeugen, respektive der Gefahr, sein mühsam aufbereitetes elektronisches Dossier in den Untiefen des WWW untergehen zu sehen, empfiehlt es sich in jedem Fall, vor der Bewerbung die gewünschte Bewerbungsart abzuklären.
Weiter ist es wichtig, die Empfehlungen der Experten zu beachten. Man muss unbedingt auf die Firma und auf die entsprechende Vakanz eingehen und seine Unterlagen so aufbereiten, dass der Empfänger die für ihn wichtigen Informationen schnell und übersichtlich findet. So steigern sich die Chancen, dass die eigene Bewerbung aus der Vielzahl elektronischer und klassischer Dossiers herausragt.
«Eine gute Bewerbung ist zwar keine Garantie, aber die Chancen auf ein Gespräch erhöhen sich»,
so Peter Gisler. Und das persönliche Interview mit dem potentiellen neuen Arbeitgeber ist zweifellos das wichtigste Ziel, das mit einer Bewerbung erreicht werden kann.
Obwohl die Bewerbung per E-Mail bei den Stellensuchenden immer beliebter wird, kommt sie nicht bei jedem Personalchef gleich gut an – vor allem dann, wenn man auf den ersten Blick sieht, dass es sich um einen Massenversand handelt. Viele Unternehmen versenden auf E-Mail-Bewerbungen standardmässig Absagen. Andere wiederum, vor allem Grossunternehmen, setzen vermehrt auf Online-Formulare. Diese erlauben eine gezieltere und besser auf die Anforderungen zugeschnittene Bewerbung. Digitale Bewerbungen sind zwar praktisch, haben aber auch ihre Regeln. Wer mit seiner elektronischen Bewerbung erfolgreich sein möchte, sollte unbedingt die folgenden Tips beachten.
Bevor man sich bewirbt:
Zunächst sollte man die gewünschte Bewerbungsart überprüfen. Vielfach wird diese bereits in der Stellenanzeige publiziert.
Stellt die Firma ein Bewerbungsformular ins Netz, ist es ratsam, dieses auch zu benutzen.
Im Vorfeld muss der genaue Ansprechpartner eruiert werden. Bewerbungen dürfen niemals an Sammeladressen wie info@firma.ch geschickt werden.
Folgende Angaben
im E-Mail sind unverzichtbar:
Der Name des Bewerbers und die Position, um die man sich bewirbt, gehören in die Betreffzeile.
Im Lauftext dürfen die Quelle der Stellenanzeige sowie die Absenderadresse inklusive E-Mail nicht fehlen.
Als Absenderadresse sollte eine private Adresse (möglichst mit Name und Vorname; max.muster@hot mail.ch) verwendet werden.
Der in E-Mails oft lockere Umgangston hat in einer Bewerbung nichts zu suchen.
Ausserdem sollen Emoticons wie beispielsweise Smilies vermieden werden.
Eine Online-Bewerbung muss grundsätzlich wie eine klassische Bewerbung verfasst werden. Dabei muss der Begleittext kurz sein und
nur das Wichtigste aussagen. Lebenslauf, Diplome und sonstige Formulare gehören nicht in den Lauftext, sondern müssen als Datei angefügt werden.
Attachements sollten nur in heute üblichen Formaten (.TXT, .DOC,
.RTF, .PDF) und in einer vernünftigen Grösse (maximal 500 KB) verschickt werden.