Dem ERP-Kopfweh vorbeugen: 7 Regeln für erfolgreiche Projekte

Der Erfolg eines ERP-Projekts hängt weniger vom System und vom Kaufpreis als vom Engagement des Anwenderunternehmens ab. Perfektionismus ist nicht nötig.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/05

     

Können Sie sich noch erinnern? Früher wurde in der Werbung für Enterprise Resource Planning (ERP) mit technologischen «Hardfacts» geworben: Client-Server-basiert! Dann kam die Reengineering-Welle, und ERP wurde mit Prozessoptimierung gleichgesetzt: Mit ERP die Geschäftsabläufe optimieren! Heute stehen die Emotionen im Vordergrund – und so versucht ein bekannter Anbieter in seiner Werbung irgendwo zwischen Blumenwiesen und Sportwagen der Luxusklasse unsere Stimmung zu heben und unsere Unternehmungslust zu wecken. ERP bedeutet Emotion – ja! – aber auch Sorglosigkeit? Ein Blick auf die Praxis stimmt verdriesslich: ERP-Projekte ganz ohne Nebenwirkungen und Kopfweh sind wohl eher eine Seltenheit. Unternehmungslust ist auch kaum zu spüren. Und das, obwohl die meisten Unternehmen die «Übung ERP» doch schon das zweite Mal absolvieren, der Anbieter-Markt so attraktiv wie schon lange nicht mehr ist und die eigenen Probleme nicht selten richtiggehend nach Lösungen schreien.



Wo liegen denn die Schwierigkeiten? Das Problem mit dem Investitionsfrust lässt sich kaum überwinden, aber dem Kopfweh kann man sicher vorbeugen. ERP-Projekte sind möglich und sogar erfolgreich möglich und das mit Sicherheit! Wie nun kann man ein kopfwehfreies und sicher erfolgreiches ERP-Projekt realisieren? Hier kann man nur dazu raten, die eigene Naivität abzuschalten, genau hinzusehen und endlich einmal mit dem Lernen anzufangen. Vielleicht wäre auch der Ansatz des Apostels Thomas sinnvoll: Glauben Sie erst einmal gar nichts, was man Ihnen erzählt. Nehmen Sie statt dessen Ihr Schicksal selbst in die Hand.



Als Starthilfe dafür diene hier ein Spickzettel, der zwar nicht den Erfolg sichert, aber vielleicht zum Nachdenken anregt und in die eine oder andere richtige Richtung weist:


Die 7 Regeln für erfolgreiche ERP-Projekte im Jahr 2005


• Regel 1: Erfolg kann man nicht kaufen, um Erfolg muss man kämpfen – bis zur letzten Minute.
Das heisst vor allem: Ruhen Sie sich nicht auf der faulen Haut aus und glauben Sie nicht, dass, bloss weil man einen Projektleiter hat, der sich um alles kümmert, auch alles perfekt läuft.


• Regel 2: Es gibt immer mindestens zwei Systeme, die für ein Unternehmen ideal geeignet sind. Der Erfolg liegt im Projekt und nicht im System.
Eigentlich eine Regel, um ruhig schlafen zu können. Aber auch dafür: Wenn Sie evaluieren, kommt es nicht nur darauf an, das richtige System zu finden. Es ist auch wichtig, zu klären, wie man es einführt.


• Regel 3: Vergessen Sie Ihre Erfahrung aus den guten alten PPS-Projekten. Diese sind sicher schon ein halbes Jahrzehnt alt – und der Markt hat sich längst verändert.
Ja wirklich: Es ist nervtötend, dass man sich in Projekten, bei denen die Zeit fehlt, mit mysteriösen Problemen aus der Vergangenheit beschäftigt, anstatt die echten Probleme zu lösen. Gerade bei Unternehmenssoftware gilt: ERP-Projekte sind Business-Projekte. Man sollte also durchaus etwas mehr Zeit für Business-Fragen aufwenden als für Performance-Fragen.


• Regel 4: Glauben Sie nicht, dass ein gutes Projekt allein durch gute Planung erfolgreich ist. Der Erfolg liegt in Erfahrung und Kompetenz und nicht in einem schönen Organigramm.
Wie viel Zeit und Geld investieren Sie in die (Aus-)Bildung Ihres Projektteams? Hier geht es nicht um Systemschulungen sondern um Projektkompetenz. Geben Sie Ihrem Team Zeit, sich zu entwickeln, und denken Sie daran, dass sich Teamgrösse und zeitliche Belastung im Projektverlauf mehrmals ändern.


• Regel 5: Wenn Ihr Management nicht mindestens einen fünfminütigen Vortrag über das ERP-Projekt in Ihrem Unternehmen halten kann, fangen Sie am besten gar nicht mit dem Projekt an.
Dieser Regel ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen – bei Probevorträgen schaut der Autor aber gerne vorbei.


• Regel 6: Setzen Sie auf ein partnerschaftliches Verhältnis zum Anbieter und Dienstleister. Pauschalpreise und Fixpreisprojekte allein begründen noch keine Partnerschaft.
Hier steckt sie wieder, die alte Angst: Kann ich dem Anbieter vertrauen oder muss ich mich über Verträge absichern. Wenn Sie allein auf Verträge setzen, werden Sie echte Partnerschaft nicht erlangen.


• Regel 7: Schnelligkeit ist der Schlüssel zum Erfolg. Etablieren Sie schnelle und direkte Entscheidungswege.
Es gilt die einfache Weisheit: «de Schnäller isch de Gschwinder» – oder etwas sachlicher: Es reicht völlig, immer die zweitbeste Entscheidung in einem Projekt zu treffen, solange Sie damit keine Zeit verlieren.


Der Autor

Dr. Eric Scherer ist seit vielen Jahren als Berater und Projektcoach im Rahmen von ERP-Projekten tätig. Er ist Geschäftsführer der i2s consulting, Zürich, und Initiator der von InfoWeek unterstützten ERP-Zufriedenheitsstudie.
scherer@i2s-consulting.com




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