Open Source, Innovationen und Software-Patente
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/05
Innovationen werden in der Regel gemacht, weil es Menschen gibt, die neugierig sind und Spass daran haben, etwas zu erfinden. Dies scheint zur Natur des Menschen zu gehören, könnte aber auch mit der Langweiligkeit des irdischen Daseins zu tun haben. Technische Innovationen benötigen oft beträchtliche Investitionen in die Forschung und Entwicklung. Deshalb wurde der Patentschutz eingeführt, um für diese Investitionen einen Anreiz zu bieten. Die Forderung nach einem Return of Investment ist völlig legitim.
Es scheint jedoch, dass derzeit die oben erläuterte Rechtfertigung für den Patentschutz nicht wirklich verstanden und alles in einen Topf
geworfen wird. Denn was ist, wenn die Innovationen auf den Schultern einer lose verbundenen Gemeinschaft verteilt sind, wodurch
die Investitionen für den Einzelnen relativ klein werden? Ist Patentschutz in einem solchen Fall sinnvoll respektive überhaupt anwendbar?
Open-Source-Software (OSS) wird normalerweise von einer Gemeinschaft entwickelt, und die Verteilung von Software kostet praktisch nichts. Jeden Tag werden im Open-Source-Umfeld zahlreiche Innovationen gemacht, und dies ohne den Schutz von Patenten. Jede Person, die zu OSS etwas beiträgt oder davon Teile verwendet, sollte sich darum bewusst sein, dass auch das Open-Source-Umfeld keine heile Welt ist. Ein Return of Investment ist nicht garantiert, und OSS bringt nicht nur Vorteile.
Entscheidend ist aber, dass das Modell von OSS für die Gesellschaft als Ganzes funktioniert, und die Softwareindustrie sich zwangsläufig diesem Modell annähren beziehungsweise sich ein
neues Gleichgewicht einstellen muss. Softwarepatente hemmen diesen Übergang oder verunmöglichen gar den entscheidenden Schritt nach vorne. Die Welt verändert sich, und Regeln respektive Massnahmen sollten im Sinne der Gemeinschaft definiert werden. Entscheidend ist es, die Gründe für die Regeln zu verstehen und diese in einem neuen Kontext zu Überdenken und möglicherweise entsprechend anzupassen.
Die heutige Problematik entsteht durch die Koexistenz von proprietärer Software und OSS. Der Patentschutz ist für proprietäre Software zu rechtfertigen, für OSS aber sinnlos. Dieser Konflikt würde verschwinden, wenn der Patentschutz für Software generell abgeschafft beziehungsweise gar nicht erst eingeführt wird.
Die Übergangsphase vom proprietären Modell zum OSS-Modell hat bereits vor einigen Jahren begonnen, und es liegt an der Gesellschaft zu entscheiden, ob dieser Weg konsequent weiterverfolgt werden soll. Die Durchsetzung von Partikulärinteressen einiger weniger Parteien hat langfristig noch keiner Gesellschaft etwas gebracht. Wer es ernst meint mit Globalisierung und wettbewerbsfähigen Märkten kann sich nur für den Open-Source-Weg entscheiden. Alles andere ist Heuchelei.