Editorial

Informatikentscheide sind irrational wie Autokäufe


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/05

     

Wohl mit Verwunderung hat man in den letzten zwei Jahren gesehen, wie chaotisch doch die eigene IT aussieht, wie viele unnötige Redundanzen, versandete Projekte, wuchernde Systeme, isolierte Informationsinseln und ungelöste Probleme es gibt. Einige haben aus der anhaltenden wirtschaftlichen Not – die überhaupt erst zu dieser Einsicht geführt hat – eine Tugend gemacht und tatsächlich konsolidiert. Doch kaum geht es uns wieder ein wenig besser, sind wir zurück auf den alten Pfaden der Unkoordiniertheit.





Jedenfalls wird heute wieder (oder immer noch?) zu oft zu schnell Ja und Amen zu neuen Informatikhilfsmitteln gesagt. Während in anderen Bereichen klare Abläufe zu befolgen sind, fühlt sich bei Informatikentscheiden jeder in der Firma mächtig kompetent, kauft und installiert Produkte, weil sie eine hübsche Oberfläche haben oder weil er sich von einem netten Berater hat beschwatzen lassen. Dass vielleicht der Kollege von der Abteilung im dritten Stock gerade eine andere Lösung für genau das gleiche Problem einführt, oder dass das gewählte Produkt technologisch überhaupt nicht in die bestehende Umgebung passt, ist ja nicht so wichtig. Man schaut für sich, und die Informatikabteilung darf es dann ausbaden.
Aber es sind nicht nur die Entscheidungsträger, die sich weiterhin zuwenig für die Technik und die grösseren Zusammenhänge in der IT interessieren. Auch die Informatiker mit ihrem oft mangelnden Verständnis für Geschäftsprozesse und ihrer entweder protektionistischen oder technologiegeilen Haltung tragen nicht direkt zu einer Professionalisierung bei.
Das kann bisweilen schon lustige Früchte
tragen.






Wenn zum Beispiel weiterhin in ein
veraltetes System investiert wird, nur weil der
Systemverantwortliche sich nicht weiterentwickeln will und jetzt mit allen möglichen und unmöglichen Argumenten sein System verteidigt, um seinen Job zu retten. Oder wenn umgekehrt verfrüht in neue Technologien eingestiegen wird, nur weil jemand seinen Wissensvorsprung behalten und sich profilieren möchte. Oder wenn jedes Mal, wenn der IT-Leiter geht, auch gleich die ganze Systemlandschaft ändert und der Serverhersteller gewechselt wird, nur weil es dem Neuen gerade besser in den Kram passt. Oder wenn verbissene Plattformverfechter verhindern, dass konsolidiert werden kann, nur weil sie auf der einen Plattform mehr können als auf der anderen.





Die Entscheide, die so gefällt werden, sind aus Business-Sicht komplett irrational und dienen mehr den eigenen Interessen als einem grösseren Ganzen. Zu vieles läuft dezentral, die Abstimmung neuer Lösungen mit bestehenden ist ungenügend und die Koordination zwischen der IT und den anderen Abteilungen schlecht. Dadurch entstehen Konflikte, die gar nicht nötig wären, und jede Menge versteckter Kosten. Kein Wunder ist die IT so teuer, wenn jeder sein eigenes Süppchen kocht.
Während die IT also Porsche fährt, wechseln die von Finance gerade zu Mercedes, und die Personalabteilung ist bereits mit Audi liiert. Und die Garage wollen sie dann auch nicht teilen. Steve Jobs hat es sehr schön ausgedrückt, als er meinte «It comes all down to taste». Recht hat er – schliesslich werden seine Macs ja auch in
erster Linie verkauft, weil ihr Design so gut ankommt. Privat ist dagegen nichts einzuwenden. Geschäftlich sollte man besser über den eigenen Tellerrand hinausschauen.




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