Editorial

Im Herzen Ingenieure statt Geschäftsleute


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/05

     

Dartfish, Logitech, Swissquote und Co: IT-Transformer, die neuen Akteure der Veränderung». Der Titel des Buches, das ich kürzlich gelesen habe, tönt so ungelenk, als wäre er durch eine der unsäglichen automatischen Internet-Übersetzungsmaschinen erzeugt worden. Sein Inhalt sollte aber jeden, der in der Schweiz an Technik und Innovation interessiert ist,
beunruhigen. Das Buch wurde von Xavier Comtesse vom Think-Tank «Avenir Suisse» geschrieben. Seine Kernaussage: Die Schweiz gibt zuviel Geld für Informations- und Kommunikationstechnologien aus und macht zu wenig daraus.





Comtesse schreibt aus einem Techno-kulturellen Blickwinkel. Für ihn ist Technologie zwar nicht das einzige, aber ein unverzichtbares Element für die soziale und wirtschaftliche Entwicklung. Er hat nun Statistiken rund um die Technikanwendung in der Schweiz ausgewertet und macht dabei eine überraschende Entdeckung: Verglichen mit anderen Ländern gehört die Schweiz zu den grössten ICT-Käufern und Anwendern. «Die Schweizer sind fanatische Käufer», so seine Charakterisierung, die aufgewendete Geldmenge ist überwältigend, neue Technologien werden schneller aufgenommen als in den meisten anderen Ländern. Wenn man aber die Produktivitätsgewinne analysiert, die durch den ICT-Einsatz erzielt werden, rangiert unser Land meist am unteren Ende der Ranglisten. Comtesse nennt dies «Das Schweizer
Paradox». Während die Produktivität anderer Volkswirtschaften in grossen Schritten wächst, stagniert die Schweiz als Folge dieses Widerspruchs seit zwanzig Jahren; auf einem hohen Niveau zwar, aber sie stagniert.






Wie lässt sich dieser Widerspruch erklären? Zum einen sicherlich kulturell: Tief in unseren Herzen sind wir alle technikverliebte Ingenieure und Kraft unseres Wohlstandes können wir uns immer auch das Neueste vom Neuen leisten. Wie es scheint, haben wir aber die Fähigkeit verloren, diese Innovationen effizient zu nutzen. Comtesse sieht uns als «Gefangene eines Zeitlupen-Perfektionismus und einer Fixierung auf die Technologie als solche anstelle von deren Anwendung zur Verbesserung unserer Marktposition.» Wie jene Genfer Bank, von der er mir kürzlich erzählte, die eine grosse Zahl neuester PCs mit Flachbildschirmen anschaffte, um sie anschliessend ein Jahr in ihren Kisten herumstehen zu lassen, bevor sie schliesslich in Betrieb genommen wurden.





Die Schweiz steht heute, schreibt Comtesse, vor der schwierigen Herausforderung, zu lernen, wie man grosse ICT-Investitionen in Produktivitätssteigerungen und Wirtschaftswachstum umsetzt.
Vor ein paar Wochen hat Monika Henziger, die Schweizer Forschungsleiterin von Google und Lehrbeauftragte der ETH Lausanne, im Rahmen eines Vortrags in Bern dargelegt, wie Google dank Farmen von billigen PCs anstelle teurer Unix-Server Millionen einspart. Google hat als wirklich innovative Firma begriffen, wie man durch den intelligenten Einsatz billiger Techniken bessere Resultate erzielen kann als mit einer durchschnittlichen Nutzung teurer Technologien. Es ist sicher im Sinne von Comtesse, Schweizer Unternehmen zu raten, dieses Beispiel gut zu studieren.




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