Amr Huber, Leiter Kompetenzzentrum elektronischer Behördenverkehr, Eidgenössische Bundeskanzlei

«Man hatte die Auswirkungen des Föderalismus unterschätzt.»

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/05

     

Das Behördenportal ch.ch hat in einem Test von «10 vor 10» gegenüber einer blossen Google-Suche unvorteilhaft abgeschnitten. War der Test ungerecht oder hat ch.ch echte Mängel?

Die Firma Zeix, die den Test durchgeführt hat, hat selbst darauf hingewiesen, dass ein solcher Test unüblich ist. Dass wir knapp schlechter abgeschnitten haben, liegt an unserer eigenentwickelten Suchmaschine, die heute noch Mängel aufweist.






Für eine «bessere Linksammlung» – so äussern sich unsere Leser im Online-Forum – scheint der bisher ausgegebene Betrag von rund 18 Millionen doch ziemlich hoch. Was macht das Projekt
so teuer?


Aus meiner Sicht sind die Infrastrukturkosten zu hoch. Die IT-Architektur ist überdimensioniert, da man anfänglich von einer Transaktionsplattform ausgegangen war, einem Guichet Virtuel als One-Stop-Shop, über den der Benutzer Zugang zu allen Behördendienstleistungen erhält, ohne auf eine andere Website zu wechseln. Diese Vision konnte nicht realisiert werden – man hatte die technischen und organisatorischen Auswirkungen des Föderalismus mit den zahlreichen heterogenen Systemen in den Kantonen und Gemeinden klar unterschätzt.





Allein die Hosting-Kosten für 2005 sollen gemäss Schlussbericht 150'000 Franken betragen – was ist technisch derart aufwendig, dass sich dieser Betrag rechtfertigt?


Einmal gewählt, bestimmt die Systemarchitektur langfristig die Investitionen für Software-Entwicklung, Lizenzen, Hardware und Support. Dazu gehören bei ch.ch zum Beispiel ein komplettes
Extranet für den Zugriff durch die Kantone und eine separate Datenbank für die Linksammlung. Nur eine völlige Neukonzeption brächte echte Einsparungen – alles andere ist Kosmetik. Einen Mehrwert bringt ch.ch schon heute: Ein Einstiegsportal mit Verweisen auf die Angebote von Kantonen und Gemeinden ist bereits sehr viel wert.





Sie sind neu für das Projekt ch.ch zuständig. Was werden Sie
anders machen Ihre Vorgänger?


Für mich steht klar die Frage nach den Inhalten, Funktionen und deren Relevanz für die Nutzer und Nutzerinnen im Vordergrund. Die ganze Welt ist bereits mit Amtsportalen im Netz, da müssen wir das Rad nicht noch einmal erfinden. Wir müssen nur auf die föderalen und kulturellen Besonderheiten der Schweiz Rücksicht nehmen.





Wie sieht die Zukunft von ch.ch und von E-Government auf
Bundesebene aus?


Ch.ch und die Bundesverwaltung werden mittelfristig den grossen Rückstand aufholen und sich im internationalen Vergleich profilieren müssen. Wenn wir das nicht schaffen, haben wir etwas falsch gemacht.




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