Die 1000-Franken-Lizenzwette
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/01
Frohes neues Jahr, meint der Agent der Business Software Alliance (BSA) beim Verlassen des Gerichtssaals hämisch, während Sie ihm mit offenem Mund, sechs Monaten bedingt und einer Schadenersatzklage, die sich gewaschen hat, stumm nachschauen. Ihr Vergehen: Sie haben Ihrem Informatikleiter vertraut und haben sich nicht selber schlau gemacht. Sie haben nicht versucht, eine Auffassung von einer Sache zu bekommen, von der Sie nichts verstehen und als Geschäftsführer auch nichts verstehen wollen: Softwarelizenzen.
Noch ist das Risiko in der Schweiz klein, unangekündigt Besuch der BSA samt Durchsuchungsbefehl zu bekommen. Aber die Softwarehersteller sind nicht auf den Kopf gefallen und wissen, dass hierzulande lediglich 30 bis 40 Prozent aller Software korrekt lizenziert sind. Schwarzkopieren bedeutet für die Hersteller ein grosses Potential, das zunehmend bearbeitet wird. So werden inzwischen anhand öffentlich zugänglicher Informationen wie Mitarbeiterzahl oder Kernkompetenz Unternehmen breitflächig gescreent. Zusammen mit Daten, die ein Hersteller über den Einsatz seiner Produkte hat, können auffällige Muster festgestellt werden. So macht sich eine Werbefirma mit 40 Mitarbeitern verdächtig, die nur zwei Photoshop-Lizenzen besitzt. Erhärtet sich der Betrugsverdacht – indem die Firma auf Anfrage beispielsweise keine Auskünfte erteilen will –, kann der Hersteller die BSA einschalten. Und dann geht alles sehr schnell: Durchsuchung ohne Vorwarnung, Aufnahme des Tatbestandes, Gerichtsurteil, Zwang zur Nachlizenzierung, Schadenersatz, Imageverlust. Und der CEO, der offiziell die Verantwortung trägt, wandert von Fall zu Fall hinter Gitter. An seiner Stelle würde ich Lizenzfragen zu einer meiner Lieblingsbeschäftigungen machen; es wirkt ungemein befreiend.
Da ich aber nicht an seiner, sondern an meiner Stelle bin, mache ich etwas anderes: Ich wette mit jedem CEO 1000 Franken, dass seine Firma nicht korrekt oder zumindest nicht optimal lizenziert ist. Dabei geht es in den meisten Fällen gar nicht um das Abwenden einer Knastandrohung. Mit einigen Massnahmen zur besseren Lizenzverwaltung lässt sich nämlich häufig auch konkret Geld sparen. Dazu gehören die Wahl des optimalen Lizenzmodells und der optimalen Finanzierung (beides von Fall zu Fall verschieden), die Einführung eines Verwaltungstools, das den Administrationsaufwand minimiert, und ein
geschickter, periodischer Audit- und Beschaffungsprozess, der verhindert, dass jede
Lizenz einzeln beschafft wird. Um eine Vorstellung zu bekommen, was allein diese drei Massnahmen bringen können, hier einige Zahlen aus der Praxis: Falsches Lizenzmodell oder falsche Finanzierung bis zu 30 Prozent höhere Kosten. Überlizenzierung und Mehraufwand ohne Verwaltungstool bis zu 20 Prozent. Verpasste Mengenrabatte durch mangelhaften Audit- und Beschaffungsprozess bis zu 15 Prozent.
Da liegt also einiges drin. Damit die Massnahmen aber wirklich greifen, müssen sie mittel- bis langfristig angesetzt werden. Und sie müssen möglichst genau die zukünftige Unternehmensentwicklung mit einbeziehen. Ein Audit, das nicht regelmässig wiederholt wird oder nur die aktuelle Lage betrachtet, bringt nichts. Das ist eine komplizierte Sache, die man am besten Profis anvertraut. Auch ist es besser, selbst aktiv zu werden, als die Initiative dem Hersteller zu überlassen. Einsicht bei der Nachlizenzierung wird nämlich von vielen Produzenten mit Sonderkonditionen belohnt, denn auch ihnen ist bewusst, dass praktisch jedes Anwenderunternehmen mit Lizenzierungsproblemen kämpft. Am besten findet man sich ganz einfach damit ab, dass man lizenzieren MUSS, und macht das
Beste draus.