«Reine IT-Gemeinschaftswerke sind Auslaufmodelle»

Beat Bernet sieht die Zukunft der Banken-IT in Provider-Netzwerken.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/19

     

Beat Bernet ist seit 1996 Professor für Banking an der Universität St. Gallen und Direktor des Instituts für Banken und Finanzen sowie Ordinarius für Betriebswirtschaftslehre. 1983 gründete er die auf Banken und Finanzorganisationen spezialisierte Beratungsfirma Bernet & Partner mit Sitz in Zug. Diese berät zahlreiche Grossbanken, Kantonalbanken, Privatbanken und grosse Finanzorganisationen im In- und Ausland zu bankstrategischen Fragestellungen. Bernet ist Mitglied des Verwaltungsrates von börsenkotierten Banken. Seine aktuellen Forschungsschwerpunkte sind einerseits der Transformationsprozess der Finanzdienstleistungsbranche, andererseits die Untersuchung der daraus resultierenden wettbewerbsstrategischen Optionen für Finanzdienstleister.




InfoWeek: Früher haben Banken sich zusammengetan, um sich die Entwicklungskosten für eine Bankenplattform zu teilen. Heute gibt es Produkte ab Stange zu kaufen. Ist dies das Ende der klassischen Gemeinschaftswerke?



Beat Bernet: Reine IT-Gemeinschaftswerke sind tatsächlich Auslaufmodelle. Sie werden ersetzt durch Netzwerkstrukturen, in denen unterschiedliche Provider unterschiedlichen Kunden unterschiedliche Leistungen zur Verfügung stellen.




Hat das Modell, dass eine Bank gleichzeitig Aktionär und Kunde eines IT-Unternehmens ist, ausgedient?


In einer solchen Netzwerkstruktur ist eine finanzielle Verflechtung zwischen den Netzwerkpartnern nicht notwendig. Sie kann aber je nach Konstellation der Partnerschaft dennoch hilfreich sein. In jedem Fall sind geeignete Ausstiegsoptionen festzulegen.




Welche Rolle werden Gemeinschaftswerke in Zukunft spielen? Lediglich Einkaufsgemeinschaften?


Nein. Es gibt nach wie vor ausserhalb der IT zahlreiche Aufgabenbereiche in denen ein koordiniertes oder gar gemeinschaftliches Vorgehen für alle Partner Synergien schafft. Beispiele sind etwa das Risikomanagement, Bereiche der Compliance, die Kreditadministration, Produktentwicklung, Fondsmanagement oder die Wertschriftenverarbeitung, um nur einige wenige zu nennen.




Der Begriff Business Process Management (BPO) scheint derzeit gross in Mode zu kommen. Wie beurteilen Sie BPO in der Finanzindustrie?


BPO ist ein unglücklicher Begriff. Tatsächlich geht es um einen Umbau beziehungsweise eine Neudefinition der Wertschöpfungs- und Geschäftsmodelle. Banken von produktions- zu kommunikationsorientierten Institutionen. Alle nicht der direkten Marktkommunikation dienenden Prozesse werden künftig im Zusammenwirken mit Netzwerkpartnern erbracht. Das ist strategisch und operativ ein grosser Unterschied zum traditionellen Outsourcing, wie wir es in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts gekannt haben.




In welchen Bereichen (Wertschriften, Zahlungsverkehr usw.) sehen Sie die besten Chancen für BPO?


Grundsätzlich eignen sich alle nicht dem direkten Kundenkontakt und der Marktkommunikation dienenden Prozesse für eine Übertragung auf Netzwerkpartner.




Glauben Sie, dass es Anbieter geben wird, die in nahezu allen wichtigen Bankingbereichen ein Service-Angebot aufbauen werden? Oder wird es eher ein Netzwerk von spezialisierten BPO-Anbietern geben?


Ich tendiere eher zu Letzterem.




Wie beurteilen Sie die Rolle der Banken als BPO-Anbieter und diejenige von IT-Dienstleistern?


Banken werden über die nächsten Jahre Operationsfunktionen in unabhängigen Servicezentren organisieren und versuchen, diese potentiellen Netzwerkpartnern anzubieten. Im IT-Bereich wird es wohl zu einer Dreiteilung zwischen Kernapplikationen, Datenmanagement und frontorientierten Applikationen kommen. Im Bereich der Kernapplikationen werden sich nur einige wenige Anbieter durchsetzen können, die konsequent auf offene Plattformen setzen und so für die rasche Adaption künftiger Entwicklungen im Umfeld der Finanzbranche gerüstet sind.




Mit der Modernisierung der IT versuchen die Banken, die Kosten zu senken und die Flexibilität zu erhöhen. Das zumindest versprechen die IT-Anbieter. Wie beurteilen Sie die Resultate der IT-Modernisierungsbestrebungen der Banken?


Beide Zielsetzungen sind bis heute noch nicht in ausreichendem Mass erreicht worden. Für die Zukunft wird die Flexibilität einer Plattform die wichtigste Determinante auch für die Kosten sein.




Wird sich dank Flexibilisierung beispielsweise das Produktangebot der Banken signifikant ändern?


Nein. In den wichtigsten Produktbereichen des Private Banking, des Kommerzgeschäftes und des Retailgeschäftes ist die Produktpalette bei genauer Betrachtung relativ konstant. Das wird auch so bleiben. Hingegen erlauben flexiblere Plattformen eine raschere Anpassung bestehender Produktspezifikationen an sich verändernde Umweltbedingungen.




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