Risiken kalkulierbar machen

Gary Cokins ist Bestseller-Autor und Stratege im Bereich Performance Management Solutions bei SAS. InfoWeek hat sich mit ihm über die Versprechungen von Business Performance Management unterhalten.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/18

     

InfoWeek: Was muss man sich unter einem Business-Performance-Management-System (BPM) vorstellen?

Gary Cokins: Grundsätzlich handelt es sich bei Performance-Management nicht um ein System, vielmehr geht es dabei um die Integration der Methodologien und Metriken, die von verschiedenen Systemen wie ERP, CRM und anderen unterstützt und benutzt werden.



Welche Probleme löst BPM?

BPM bringt drei Dinge zusammen: Die Kommunikation der Strategie zwischen dem Management und den Mitarbeitenden in einer Sprache, die von diesen verstanden wird. Darüber hinaus stellt BPM die Messmethoden und die benötigte Metrik bereit, um Verhaltensweisen und Leistung der Mitarbeitenden in Bezug auf die kommunizierte Strategie zusammenzubringen. BPM stellt also eine Art Feedback- und Kontroll-Mechanismus dar. Und schliesslich bietet BPM eine auf Fakten basierende und analytische Informationsumgebung, wie sie typischerweise ein auf Transaktionen basierendes System nicht schaffen kann.
Ein Beispiel: Für eine Bank ist es einfach, alle Transaktionen eines Kunden über einen bestimmten Zeitraum zu sammeln. Es ist aber danach nicht ohne weiteres möglich, diese Daten nach Patterns abzusuchen und herauszufinden, worin sich der Kunde oder ein Kundensegment von einem anderen unterscheidet. Oder man macht mit Hilfe eines Filters sichtbar, mit wem oder in welchem Bereich die Bank profitabel arbeitet.



Wie geht ein Unternehmen denn konkret an diese Probleme heran?

Die meisten Firmen haben irgendwo schon ansatzweise damit angefangen. Sie machen eine Form der Kostenrechnung und nehmen gewisse Messungen vor, oder sie besitzen eine Kundendatenbank. Es stellt sich die Frage, wohin jetzt Zeit und Investitionen fliessen sollen, um den nächsten Schritt zu machen. Hat ein Unternehmen Produktivitätsprobleme, dann soll es auf dieser Baustelle beginnen und ein Projekt für Activity Based Costing aufsetzen. Verfolgt eine Firma eine klare Wachstumsstrategie, dann ist es wichtig, den Umsatz zu steigern und die Kostenrechnungsdaten sind nicht so zentral. Vielmehr müssten dann Balanced Scoreboards der Anfangspunkt sein. Es ist also in jedem Einzelfall ein anderer Startpunkt zu wählen.



Das bedeutet aber auch, dass Unternehmen zuerst ihre System und ihre Prozesse in den Griff bekommen müssen, damit sie ein solches Projekt erfolgreich durchziehen können.

Am besten stellt man sich das so vor: Alle Applikationen im Unternehmen giessen ihre Daten in eine einzige Datenbank, deren Inhalt in der Sprache der Nuklearphysik gesprochen eine Art Plasma darstellt. Die analytischen Werkzeuge können dann alles, was sie benötigen, aus diesem Plasma heraus beziehen.



Und wie sieht dieses Plasma in der Praxis aus?

Wenn die Marketingabteilung etwa genauere, segmentiertere Strategien entwickeln möchte, dafür aber keinen Zugriff auf historische Daten mit dem Kaufverhalten der Kunden hat, dann wird es sehr schwierig. Ist allerdings der Zugang zu diesen Daten gewährleistet, kann eine E-Mail-Botschaft an gewisse Kunden innerhalb weniger Minuten aufgesetzt und verschickt werden.



Aber in der Realität sind doch die wenigsten Unternehmen so weit integriert. Und viele Abteilungen sind mit ihren bestehenden Insel-Lösungen ganz glücklich!

Eine Marketingabteilung mag ihren Datensilo sehr schätzen, weil dieser bereits einen Fortschritt gegenüber dem vorherigen Zustand bedeutet. Wenn aber eine Entscheidungsfindung über alle verschiedenen Abteilungen hinweg koordiniert werden muss, dann macht es durchaus Sinn, gemeinsame Analysen vorzunehmen und die Methodologien zu standardisieren.



Ist Business Performance Management nur für Grossfirmen interessant oder können auch KMU dieses Konzept nutzen?

Die Grösse spielt eigentlich keine Rolle. Natürlich braucht der CEO eines kleinen Unternehmens mit 100 Mitarbeitenden diese Werkzeuge allein schon aufgrund der Tatsache nicht, dass er sein Unternehmen sehr gut kennt. Aber auch in Unternehmen mit unter hundert Angestellten kann es je nach Tätigkeitsbereich Komplexitäten und Diversitäten geben, so dass einzelne Business-Intelligence-Komponenten einen hohen Nutzen bringen können. Natürlich ist der Preis dabei ein Faktor, aber es gibt auch günstige Einsteigerwerkzeuge. Vor allem aber brauchen Firmen eine Vision, und meine Rolle besteht darin, ihnen diese zu vermitteln. Ich versuche herauszufinden, wo die Probleme liegen. Viele Firmen sind mit dem Status-Quo zufriedener, als sie es sein dürften. Das ist vor allem auf Widerstand gegen Veränderungen zurückzuführen. Ich versuche, diesen zu überwinden.



Mit welchen Argumenten gelingt Ihnen das?

Mit vielen. Um nur eines herauszupicken: Das Unvermögen, die eigene Strategie umzusetzen. Viele Firmen sind überzeugt, dass sie an Meetings einen grossartigen Job machen und immer neue Strategien kreieren. Doch ein Jahr später stellen sie fest, dass die Strategie gescheitert ist.



Und dann?

Im Grunde genommen geht es um die Wahl, sich zu entscheiden, was man nicht machen möchte. Es geht darum, sich selber nicht in den Fuss zu schiessen. Das tun aber viele Firmen, weil sie sich eben für die falsche Strategie entschieden haben. Unternehmen wollen keine dummen, sondern kalkulierbare Risiken eingehen. Die Technologie ist vorhanden, die ihnen erlauben würde, Risiko-Szenarien zu entwickeln und zu simulieren und somit besser vorbereitet zu sein.



Welche Firmen sind am fortschrittlichsten?

Das sind ganz klar diejenigen, die die entsprechenden Werkzeuge einsetzen. Über die Daten verfügen fast alle Firmen, doch die meisten werten diese nur mit Excel aus. Typischerweise übergibt ein 35jähriger Manager seinem 27jährigen Assistenten diese Daten mit dem Auftrag, eine Risiko-Analyse vorzunehmen. Doch diese kommt meist grundfalsch und irreführend heraus.



Das klingt ja geradezu so, als ob Technokraten die Unternehmen führen müssten. Kommt das noch gut?

Nein. Es braucht eine Balance zwischen Innovation und logischen Aspekten für das Management, eine Mischung aus Newton und Darwin also. Newton ist der Techniker, seine Welt ist eine grosse Maschine. Er braucht die richtigen Hebel und Knöpfe, um den Shareholder Value zu maximieren. Darwin hingegen sagt: Stop, das Unternehmen ist ein Organismus. Wir sind primär lebendige Kreaturen und lassen uns durch Unmengen von Zahlen auch nicht in die Irre führen. Es braucht eine Mischung zwischen diesen beiden Sichtweisen, um nachhaltig erfolgreich zu sein.




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