Editorial

Krisenresistent zu 100 Prozent

Es gibt IT-Unternehmen, die haben im Moment wirklich nichts zu lachen. Und nur ein paar wenige gibt es, denen geht es blendend.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/40

     

Es gibt IT-Unternehmen, die haben im Moment wirklich nichts zu lachen. Eigentlich gehören die meisten zu dieser Gruppe. Und nur ein paar wenige gibt es, denen geht es blendend - trotz Rezession, Stagnation, Abschwung, Gewinnwarnung & Co. Grund genug, sich einem dieser Phänomene ein wenig zu nähern. Man muss es neidlos eingestehen, der Markt für Sicherheitslösungen hat sich als eine der grossen Ausnahmen über die letzten Monate prächtig entwickelt. Während andere Prognosen fehlschlugen, der Aufschwung in der IT-Branche immer weiter in die ungewisse Zukunft verschoben wird, wurden hier die Versprechen beinahe ausnahmslos eingelöst. Und im Bereich der Unternehmenssicherheit scheint sich ein immer grösserer Markt aufzutun.



Eines der in diesem Bereich aktiven Unternehmen verdient allein schon mit dem Verkauf von Antiviren-Software ein Heidengeld. Legendär ist die gelbe Verpackung mit dem Konterfei des ehemaligen Firmengründers, der einem leicht säuerlich und trotzdem äusserst seriös und mit der Ausstrahlung natürlicher Autorität entgegenblickt. "Diesem Mann vertraue ich die Sicherheit meines PCs gerne an", wird sich so mancher Anwender gesagt haben, um darauf zum x-ten Mal den Geldbetrag für die x-te Auflage der Software auf den Tresen zu legen. Zu schade nur, dass das Unternehmen unlängst damit begonnen hat, sich von diesem Image zu lösen: Mittlerweile wurde der gute väterliche Freund von der Schachtel verbannt. Und deshalb war ich auch längst darauf vorbereitet, dass ER als Interviewpartner nicht mehr zur Verfügung stehen würde (Seite 8).




Wie auch immer - so leicht wird es dem Unternehmen sicherlich auch nicht gefallen sein, das Porträt von der Schachtel zu nehmen... Auch nicht einfach hat es das gelbe Sicherheitsimperium zur Zeit wohl noch aus anderem Anlass. Es ist eine äusserst unangenehme Situation, wenn man eigentlich allen Grund zu feiern hätte, aber rundherum ist nur Katzengejammer zu hören. Wenn man den Freudentanz aufgrund des eigenen Glücksgefühls dann allzu laut aufführt, wird dies sicherlich von den Wehklagenden sehr schnell als unziemliche Arroganz interpretiert - so etwas gehört sich auch nicht: Oder ist es etwa nicht pietätlos zu feiern, wenn andere trauern?



Unangenehm ist es für die Firma sicherlich auch, dass sie viel Geld mit dem Leid anderer Leute verdient, mit den Ängsten und Sorgen der Computer-Nutzer. Es gibt ja Studien, die belegen, dass beispielsweise Zahnärzte zwar viel verdienen aber - weil sie den Patienten häufig Schmerzen bereiten müssen -, eine geringere Lebenserwartung haben. Bis jetzt scheint dies jedoch auf den Hersteller von Antiviren-Lösungen in keiner Weise zuzutreffen. Wird ein Virenalarm ausgelöst, so zittert augenblicklich die Kurve des Aktienkurses zuverlässig nach oben. Und im Vergleich mit dem Nasdaq-Durchschnitt vollzieht der Kurs seit dem 11. September 2001 wahre Freudensprünge - ein Plus von über 100 Prozent. Kein Wunder, dass da Verschwörungstheorien Hochkonjunktur haben. Die Firma wird immer wieder verdächtigt, dass sie die Viren gleich selbst programmiert, um das Geschäft zu beleben. Und deshalb meine Frage: "Was macht denn Peter Norton heute eigentlich?" Sachdienliche Hinweise bitte umgehend an mpfander@compress.ch schicken.




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