Editorial

Arbeitsplatz-Vernichtung: Es kommt noch schlimmer

Dass nun mit den Banken gleich auch noch die Schweizer Vorzeigefirmen im Dienstleistungssektor dran glauben müssen, schmerzt aus helvetischer Sicht noch mehr. Aber letztlich ist es nur der Anfang – das Schlimmste steht erst noch bevor.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/37

     

Man liest und hört es allenthalben: Entlassungen hier, drastischer Stellenabbau da. Die Wirtschaft zahlt den Preis der Überinvestitionen der vergangenen Jahre, und die Kommentatoren sprechen beschönigend von Strukturbereinigung und Restrukturierung - Begriffe, die dem Ohr nicht weh tun. Trotzdem, es trifft uns empfindlich und macht nachdenklich, da lässt sich nichts schönreden. Dass nun mit den Banken gleich auch noch die Schweizer Vorzeigefirmen im Dienstleistungssektor dran glauben müssen, schmerzt aus helvetischer Sicht noch mehr. Aber letztlich ist es nur der Anfang, und es wird noch viel dicker kommen - das Schlimmste steht erst noch bevor.



In den 10 Thesen zur Zukunft der Informationstechnologie hat Gartner in Nostradamus-Manier vorausgesagt, dass wir uns an ein neues Szenario zu gewöhnen haben werden: Schon bald werden auch Firmen Massenentlassungen durchführen müssen, obwohl bei ihnen sämtliche Kennzahlen eigentlich von Wachstum und Erfolg sprechen. Als Grund werden Produktivitätssteigerungen dank der IT genannt. Die Marktforscher empfehlen den Managern, sich bereits heute zu überlegen, wie man solche, aus jetziger Sicht, paradoxe Massnahmen den Betroffenen kommunizieren soll - viel Glück!




Zudem hat Gartner geweissagt, dass Entscheidungsprozesse zusehends auf hierarchisch tieferem Niveau stattfinden werden und teilweise auch automatisch erfolgen. Das ist bereits heute der Fall, und wohin das mitunter führen kann, hat Anfang Woche die Rentenanstalt mit der peinlichen 192-Millionen-Panne eindrücklich demonstriert: Die Folgen solcher Software-Bugs werden zusehends drastischer.



Deshalb, machen wir uns nichts vor: Den Kampf "Mensch gegen Maschine" haben wir längst verloren. Das Schachturnier Kramnik vs. Deep Fritz in Bahrain war nur ein weiterer Beweis dafür. Auch wenn es Kramnik im Gegensatz zu Kasparow am Schluss mit Ach und Krach auf ein Remis schaffte, ist auf diesem Terrain die künstliche Intelligenz schon weit fortgeschritten. Wen wundert's, dass die Deep-Fritz-Programmierer davon ausgehen, dass binnen einem Jahr der Mensch gegen die Maschine keine Chance mehr haben wird.



So ist es Balsam auf die Menschenseele, dass in einer anderen Disziplin, der Kommunikation, erst gerade wieder in Atlanta anlässlich der zwölften Vergabe des Loebner-Preises bewiesen wurde, dass von künstlicher Intelligenz noch kaum die Rede sein kann. Den Turing-Test hat noch kein Programm geschafft: Einen Computer so zu programmieren, damit er eine möglichst sinnvolle Unterhaltung mit einem Menschen führen kann, ist ganz offensichtlich eine riesige Herausforderung (www.ellaz.com).



Erlauben Sie mir deshalb festzuhalten, dass ich mich glücklich schätzen kann. Solche, die schreiben, wird es noch eine Weile brauchen, zumindest so lange, wie es Leute gibt, die das Geschriebene auch lesen. (Mein aufrichtiger Dank an Sie!)
Lassen Sie mich weiter festhalten: Die IT wird einen Stellenabbau in noch unbekanntem Ausmass mit auf dem Gewissen haben. Für die potentiell Betroffenen also höchste Zeit, sich nach einem sinnstiftenden Hobby umzusehen - viel Vergnügen.




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