Die veränderte Rolle des CIO
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/36
Früher nannte man sie Informatikleiter. Heute tragen sie den Titel Chief Information Officer (CIO). Wie so viele Berufsbezeichnungen - vor allem in der IT-Branche - könnte man meinen, dass der Titel CIO der Phantasie fündiger Marketingmenschen entsprungen ist. Für einmal hat die veränderte Namensgebung aber durchaus ihre Berechtigung. Denn nicht nur die Bezeichnung dieser Berufsgilde hat sich geändert, sondern in erheblichem Masse auch die Tätigkeit und die Verantwortung. Während früher die Technik im Zentrum stand, ist heute ergebnisorientiertes Denken gefragt.
"Die strategiekonforme Entwicklung der Informationssysteme ist heute die wichtigste Aufgabe eines CIO", sagt Jörg Eugster, Partner und Consultant, NetBusiness Consulting, Vaduz. Eugster erklärt, dass der IT-Leiter früher die Aufgabe hatte, die Arbeit zu minimieren und zu straffen. Heute stehen die Informationssysteme im Vordergrund, die die Unternehmensstrategie optimal umsetzen. "IT-Investitionen müssen sich daran messen lassen, inwiefern sie die Kernprozesse der Unternehmen auf wirksame und effiziente Art und Weise unterstützen", erklärt Denise Stüdi (Geschäftsführerin beim Executive-Search-Unternehmen Heidrick & Struggles Schweiz) die veränderte Verantwortlichkeit des CIO und fährt fort: "Modernen CIOs geht es nicht mehr darum, möglichst aufgeblähte Mitarbeiterstäbe zu kultivieren und spektakuläre Projekte zu initiieren, sondern zur Wertschöpfung des Unternehmens beizutragen."
Vorbei sind also die Zeiten, als sich ein IT-Verantwortlicher mit allerlei schönen und vielversprechenden Technologien eindecken konnte. "IT darf nie Selbstzweck sein, sie muss immer das Geschäft unterstützen", so Eugster, der selbst Erfahrungen als CIO in einer der grössten Schweizer Versicherungsanstalten sammelte. Die Funktionen sind sehr vielfältig, oder: "Die Aufgaben sind mehrdimensional", wie es Eugster ausdrückt. Dazu gehören insbesondere das People- und das Multiprojekt-Management, was heissen will, dass der CIO jederzeit den vollständigen Überblick über eine Vielzahl von Projekten hat und in der Lage sein muss, die Angestellten entsprechend zu betreuen.
Folglich muss er auch über eine adäquate Ausbildung verfügen. Idealerweise hat der CIO einen betriebswirtschaftlichen Hintergrund, gepaart mit dem nötigen IT-Know-how und ausgewiesener Führungsqualifikation.
Die hohen Anforderungen widerspiegeln sich auch in der Positionierung: "Der CIO ist vor allem ein Business Leader, der bei der strategischen Planung des Unternehmens eine zentrale Rolle einnimmt und deshalb auch auf Ebene der Geschäftsleitung angesiedelt sein sollte", sagt Stüdi und erklärt weiter, dass sich auch die Leistungsbeurteilung verlagert hat: "Gemessen wird er nicht mehr daran, wie teuer oder ausfallsicher ein bestimmtes System ist, sondern welche Nutzen und Wettbewerbsvorteile durch den Einsatz von IT und Telekommunikation erzielt und wie schnell und innovativ neue Produkte am Markt lanciert werden können.
Die enormen Anforderungen schlagen sich auch in der Bezahlung nieder. Eugster schätzt, dass der Durchschnittslohn zwischen 150'000 und 250'000 Franken liegt. In einem Grossbetrieb kann er aber auch astronomische Dimensionen annehmen.
Obwohl ein CIO also ein durchaus interessantes Aufgabengebiet und glänzende Zukunftsaussichten hat, ist er nur schwer zu finden. "Trotz Krise im IT-Bereich und Stellenabbau sind solche Manager mit entsprechendem Profil ausserordentlich rar", weiss Stüdi, die überzeugt ist, dass der Kampf um diese knappe strategische Ressource in den nächsten Jahren gar noch zunehmen wird.
Zudem in der Print-Ausgabe: Der CIO heute und gestern