Frischer Wind an der Spitze: Extern oder intern rekrutieren?
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/33
Der ungeschriebene Vertrag in der Arbeitswelt sah bislang so aus, dass man, solange man hart arbeitete und sich aus Problemen raushielt - und das Unternehmen profitabel wirtschaftete -, sich um die Sicherheit des Arbeitsplatzes keine Gedanken zu machen brauchte. Man wusste auch, dass man, unabhängig von der Position und der Dauer der Betriebszugehörigkeit, in regelmässigen Abständen einen Anspruch auf Beförderung und Gehaltserhöhung hatte.
Dieser ungeschriebene Vertrag erlitt in gewisser Weise das gleiche Schicksal wie die Schreibmaschine - er verschwand sang- und klanglos aus den Büros. Heute erhält man statt dessen eine Chance, sich selbst zu beweisen, zu lernen und voranzukommen. Der Weg nach oben kann sehr unterschiedlich aussehen. Für das Richtige gibt es keine Regel, jedenfalls keine allgemein gültige. Dennoch müssen die Unternehmen aus der Vielzahl des mutmasslichen Führungskräfte-Nachwuchses, "High Potentials" genannt, die Richtigen herausfiltern. Aber wie?
Jeder Führungswechsel stellt sowohl für die Firma als auch für den neuen Mitarbeiter eine grosse Herausforderung dar. Da in der Wirtschaft heute ein schneller Wechsel in verschiedene Führungspositionen üblich ist, kommt es darauf an, dass dieser Wechsel effizient und ohne grosse Reibungsverluste vollzogen wird.
Untersuchungen haben gezeigt, dass es für einen erfolgreichen Führungswechsel wichtig ist, eine Reihe von Faktoren zu beachten. Dazu gehören zum Beispiel eine genaue Klärung der Erwartungen der verschiedenen Beteiligten sowie eine konstruktive Analyse der Ausgangssituation.
Unternehmen verspüren meist den Wunsch, hochqualifizierte Mitarbeiter zu halten und sie nicht an andere Konzerne abzugeben. Als Vorteile interner Rekrutierung kann man die geringeren stellenspezifischen Einarbeitungskosten, die gegebenen Kenntnisse der Mitarbeiter über unternehmensspezifische Sachverhalte und über die Unternehmenskultur nennen. Die Firma kann sich sicher sein über die Qualifikation des Mitarbeiters und hofft auf stärkere Bindung an den Betrieb. Dazu kommt, dass die interne Beförderung wesentlich schneller abgewickelt werden kann als eine externe Suche.
Eine interne Stellenbesetzung kann aber auch wesentliche Nachteile mit sich bringen: Zum einen ist die Auswahl der in Frage kommenden Kandidaten kleiner. Zum anderen löst eine Versetzung den Bedarf quantitativ nicht, da auf jeden Fall eine Stelle neu besetzt werden muss, und oft treten hohe Fortbildungskosten auf. Leider kann eine interne Beförderung durch Enttäuschung und Neid von Kollegen auch zu Spannung im Team führen.
Klar im Vorteil sind Firmen mit einem ganzheitlichen Personalmanagement. Die Grundüberlegung ist dabei, gute und junge Manager einzustellen, die sich dann an Projekten die Zähne ausbeissen und sich beweisen können. Genau diese Jungmanager werden dann zu einem späteren Zeitpunkt und bei Bedarf als Führungskräfte in die Firmenspitze befördert. Roland Köcher, Senior Consultant der Goldwyn Partners Group in Zug, vertritt die Meinung, dass dank einem ganzheitlichen Personalkonzept kompetente Mitarbeiter gefördert werden können, und so Managementkapazität von innen heraus entwickelt wird. Falls diese nicht reichen sollte, kann ausserhalb der Firma rekrutiert werden: "Die Entwicklungspolitik muss so sein, dass kurz-, mittel- und langfristig genügend Führungsreserven vorhanden sind. Die Variante der externen Rekrutierung ist als Ergänzung zu sehen."
Die externe Personalbeschaffung hat den Vorteil, dass "frischer Wind" in das Unternehmen kommt. Es können zudem Ausbildungskosten gespart werden, die man eventuell in einen bereits vorhandenen, entwicklungsfähigen Mitarbeiter investieren kann. Falls kein Personalmanagement besteht und der nötige Nachwuchs fehlt, kann eine externe Suche durchaus auch eine breitere Auswahlmöglichkeit bieten.
Allerdings gibt es auch einige Gründe, die gegen eine externe Rekrutierung sprechen. Die Beschaffungskosten und der Arbeitsaufwand der Personalabteilung für einen externen Kandidaten sind grösser. Ein Neuzugang blockiert die Aufstiegschancen von internen Anwärtern - was durchaus negative Auswirkungen auf das Betriebsklima haben kann. Natürlich sind auch die Qualifikationen einer externen Führungskraft nur beschränkt bekannt.
Betrachtet man eine Beförderung aus Sicht des Angestellten, sieht man ganz andere Aspekte. Lebenslang auf dem selben Posten zu hocken ist Vergangenheit. Viele Angestellte haben die Nase voll davon, Jahr für Jahr denselben Job zu machen, und haben längst kapiert, dass ihnen keiner eine Beförderung garantieren kann. Die alte Vorstellung, sich auf der firmeninternen Karriereleiter emporzuarbeiten, hat sich total verändert.
Die Karriereleiter besteht heutzutage aus einer Folge strategischer Wechsel, am besten im selben Unternehmen, allerdings in verschiedenen Fachbereichen. Denn breites Wissen ist gefragt. Darum wird gerade ein fachfremder Wechsel besonders gern gesehen.
Kontinuität allerdings ist trotz aller Wechselfreude wichtig. Mindestens drei Jahre sollte man der neuen Funktion treu bleiben.