Leistungslohn: Eigentor oder Motiviationsspritze?

Überdurchschnittliche Leistungen werden in vielen IT-Unternehmen belohnt – Bonuszahlungen haben aber auch ihre Schattenseiten.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/29

     

Wer arbeitet, erhält Lohn. Wer mehr arbeitet, erhält mehr Lohn. Wer mehr und besser arbeitet, erhält einen Bonus. In vielen Schweizer IT-Unternehmen werden besondere oder überdurchschnittliche Leistungen in Form von Bonuszahlungen belohnt. Es gibt unterschiedliche Ansätze, um geleistete Arbeit zu beurteilen. Zum einen sind dies effektiv geleistete Arbeits- und Überstunden, zum anderen die Qualität der Arbeit.



Aber auch der eigentliche Geschäftsgang wird in direkter Abhängigkeit zur Leistungsentlöhnung genannt. IBM Schweiz beispielsweise hat 1994 ein neues Salärsystem mit Erfolgsbeteiligung für alle Mitarbeitenden eingeführt. "Alle Festangestellten sind somit am Erfolg der Unternehmung beteiligt", sagt Susan Orozco, Pressesprecherin IBM Schweiz. Dabei hat jeder Mitarbeitende ein vertraglich zugesichertes Grundsalär mit einem flexiblen Anteil. "Dieser variable Anteil kann natürlich je nach Geschäftsgang variieren", fährt Orozco fort.




Also spielt nicht nur die individuelle Leistung eines Mitarbeiters, sondern auch der finanzielle Erfolg einer Unternehmung eine wichtige Rolle. So auch bei der Firma AAC Computer, die sich auf die Installation von kompletten Netzwerkinfrastrukturen spezialisiert hat. "Bei uns wird Ende Jahr ein Bonus ausbezahlt. Dieser errechnet sich einerseits nach dem Geschäftsgang, andererseits aufgrund der individuellen Leistung, unabhängig von den geleisteten, respektive abgerechneten Stunden", sagt Andreas Wyss, Mitinhaber von AAC.


Wer bekommt wie viel?

Nicht ganz einfach wird es, wenn bestimmt werden muss, wer wie viel erhält. Der Geschäftsverlauf ist einerseits eine objektive Bewertungsgrundlage. Die effektive Leistung eines Mitarbeiters zu beurteilen und somit eine gerechte Belohnung festzusetzen, stellt jedoch für manche Unternehmung eine grosse Herausforderung dar.



Bei kleineren Betrieben wie beispielsweise der AAC basiert die Beurteilung meistens auf einer rein persönlichen Bauchentscheidung. Die Firma IfB, die Informatikdienstleistungen ausschliesslich für Banken und Finanzinstitute erbringt, macht Bonuszahlungen von verschiedenen Faktoren abhängig. Zum einen sind dies geleistete Mehrstunden, andererseits subjektive Beobachtungen vom direkten Vorgesetzten.




Aber auch konkrete Feedbacks von Kunden und der Vergleich mit den jährlich definierten Zielvereinbarungen werden für die Höhe der Sonderzahlung herangezogen. Wie hoch diese sein kann, verrät der Verantwortliche von AAC: "Der Bonus liegt im Normalfall zwischen einem halben und einem ganzen Monatssalär, kann aber auch Mal das Doppelte sein."




Zielsetzungen festlegen

Natürlich kann es Unterschiede innerhalb der verschiedenen Berufsgruppen geben, wie das zum Beispiel bei IBM der Fall ist. Big Blue kennt die sogenannte erweiterte Erfolgsbeteiligung, die für Mitarbeiter gilt, die im Verkauf tätig sind. "Die Beeinflussbarkeit dieses variablen Anteils ist naturgemäss in diesen Funktionen grösser", erklärt Orozco.



Dabei ist es wichtig, die Mitarbeiter zu sensibilisieren. Die meisten Unternehmen, so auch IBM, definieren einmal jährlich zusammen mit den Mitarbeitern die individuellen Zielsetzungen. Im Rahmen der Zielgespräche wird schliesslich das Erreichte diskutiert und eine entsprechende Beurteilung abgegeben.





Motivation und Firmenerfolg

Den grössten Vorteil der Leistungsentlöhnung sehen die Unternehmen darin, die Motivation der Mitarbeiter hoch zu halten und dadurch letztlich auch den Kunden zufrieden zu stellen. "Der Erfolg eines Unternehmens hängt mehr denn je von den Fähigkeiten und vom Einsatz der Mitarbeitenden ab", sagt die Pressesprecherin von IBM. Der Konzern hat durch die Einführung der variablen Erfolgsbeteiligung ein Salärsystem geschaffen, das die individuelle Leistung und den Erfolg des Unternehmens zu einem wichtigen Bestandteil des Salärs macht. "Dadurch wird das Streben nach hervorragender Arbeit, Kundenorientierung und bester Qualität sowie das Erreichen gemeinsamer Geschäftsziele entsprechend honoriert", erklärt Orozco weiter.



Ähnlich bei IfB: "Wir wollen den Mitarbeiter partizipieren lassen, wenn er eine hohe Leistung erbringt", sagt das Geschäftsleitungsmitglied Andreas Koller, wobei er nicht ausser Acht lassen will, dass es für das Unternehmen von grösster Bedeutung ist, dass die Mitarbeiter vor allem für die Kunden gute Leistungen erbringen.




Einen interessanten Aspekt bringt Andreas Wyss auf den Punkt: "Man hat eine gewisse Manövriermasse. Durch die Bonuszahlung kann man eine bestimmte Differenz ausgleichen, insbesondere bei neuen Mitarbeitern, deren Leistung man bei der Einstellung noch nicht kennt." Für den Mitarbeiter resultiert folglich eine klare Wertschätzung seiner überdurchschnittlichen Leistung.




Gefahr der Gewohnheit

Bonuszahlungen können allerdings auch Nachteile mit sich bringen. "Es kann mit der Zeit die Wirkung der Motivation verlieren, so dass es als Usanz angesehen wird", sagt Koller. Auch Wyss hat ähnliche Erfahrungen gemacht: "Die Leute bekommen in der Regel einen zusätzlichen Monatslohn. Jetzt kann es aber vorkommen, dass es einmal nur die Hälfte ist, und der Mitarbeiter hat mit dem vollen Zustupf gerechnet. Das führt unweigerlich zur Demotivation, falls die Kürzung nicht verständlich erklärt werden kann."



In einer grossen Firma wie IBM ist ausserdem mit einem erheblichem Mehraufwand zu rechnen: "Da der variable Teil für jeden einzelnen Mitarbeitenden eruiert wird, ist der administrative Aufwand natürlich um einiges grösser, als wenn ein jährliches Fixsalär ausbezahlt würde", sagt Orozco.




Schlechte Erfahrungen sind offenbar selten. Dass es durch individuelle Leistungsbeurteilung und -entlöhnung zu internen Konkurrenzkämpfen oder sogar Mobbing kommen kann, haben die drei Unternehmen eigentlich noch nie erlebt.



"Die Gegenleistung muss da sein, denn schliesslich müssen wir die Stunden bei unseren Kunden rechtfertigen", erklärt Koller und fährt fort: "Mobbing unter Mitarbeitern habe ich noch nie erlebt. Das ist auch irrelevant, da die Leistung von jedem individuell gemessen wird."




Transparenz bringt Vorteil

Um internen Unstimmigkeiten vorzubeugen, bevorzugt die Firma AAC eine offene Kommunikation. "Mit klarer Kommunikation werden interne Konkurrenzkämpfe vermieden", erklärt Wyss. Dabei geht das Unternehmen innovative Wege. Die Mitarbeiter erhalten transparenten Einblick sowohl in die finanzielle Lage der Firma als auch in den Lohnordner. Somit weiss jeder, wie viel der andere verdient. "Das steigert die Motivation unendlich", schildert Wyss seine Erfahrung. Er ist davon überzeugt, dass Unsicherheiten heraufbeschwört würden, wenn die Zahlen verheimlicht werden. "Bei uns ist die Stimmung gut und die Mitarbeiter wissen, warum der eine oder andere mehr verdient", schliesst Wyss ab.



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