Editorial

Der Kopierschutz war nur der Anfang

In etlichen Staaten wurden die Urheberrechtsgesetze so angepasst, dass Anbieter von Inhalten in digitaler Form besser geschützt wurden als bisher, besser sogar, als sie im Grunde geschützt werden dürften.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/26

     

Das Internet hat schon für viele negative Erscheinungen der Gesellschaft die Schuld tragen müssen. Ganz am Anfang waren es Bombenbastelanleitungen und Pornos ohne Jugendschutz, später kamen rechtsradikale Propaganda und Computerviren hinzu. Die Diskussionen verlaufen stets wellenartig: Mal ist das Thema topaktuell, dann spricht über Monate niemand mehr drüber.



Eine Erscheinung hat sich allerdings wacker im Gespräch gehalten: Es sind die Raubkopierer, die täglich Millionen von Transaktionen illegal über das Netz abwickeln und die für die rückläufigen Umsätze der Branche verantwortlich sein sollen. Deren Lobbying hat aber gut gewirkt: Bereits in etlichen Staaten wurden die Urheberrechtsgesetze so angepasst, dass Anbieter von Inhalten in digitaler Form besser geschützt wurden als bisher, besser sogar, als sie im Grunde geschützt werden dürften, soll das Publikum sein altes Recht behalten, ein einmal erworbenes Exemplar einer CD, oder einer Videokassette für sich zu kopieren oder es weiterzuverkaufen.




Doch diese Nutzerrechte werden dank geschicktem Lobbying laufend abgebaut, und zwar auch in der Schweiz. So haben selbst viele Urheberrechtsjuristen nicht gemerkt, das ab August 2002 der Grau- bzw. Parallelimport von "audiovisuellen" Werken - was auch immer das ist - in der Schweiz erstmals verboten werden kann. Es trifft ganz sicher Code-1-DVDs aus den USA, aber vielleicht auch Computerspiele. Tatsache ist jedenfalls: Die Filmlobby hat gute Arbeit geleistet und den Passus in der Debatte im Parlament still und leise ins Gesetz gebracht.



Es ist aber auch die Digitaltechnik, die völlig neue Formen des Kopierschutzes möglich gemacht haben. Digitale Aufzeichnungen können mit nicht wahrnehmbaren digitalen Stempeln versehen werden und Benutzer von Internetdiensten lassen sich dank Digitaltechnik unbemerkt zurückverfolgen und ausspionieren. Das hat die Branche jetzt erkannt und rüstet zur Gegenwehr.


Abwehrmassnahmen der Industrie

Begonnen hat es damit, dass Film- und Musikfirmen die vielen Tauschbörsen inzwischen mit gefälschten Songs und Filmen zu verstopfen versuchen. Wer sich eine solche Datei herunterlädt, erhält bloss einige Minuten Stille oder ein Standbild mit einer Warnung vor den Folgen von Urheberrechtsverletzungen. Dabei soll es nicht bleiben. In den USA wird bereits für ein Gesetz geworben, das es den Content-Anbietern sogar erlauben soll, fremde Computersysteme zu sabotieren oder zu hacken, um auf diese Weise die Verbreitung von Raubkopien zu verhindern.



Welche Folgen solche Bestimmungen haben werden, lässt sich noch nicht abschätzen. Wie wäre es zum Beispiel, wenn Mitarbeiter einer Firma von der IT-Abteilung unbemerkt Musikstücke auf ihre Rechner herunterladen, nur damit kurze Zeit später einer der Angriffsroboter der Musikverbände das Firmennetz lahmlegt oder nach illegalen Kopien abscannt? Was seriöse Vertreter der Softwarebranche, die von Raubkopien vermutlich sehr viel stärker betroffen ist, nie zu träumen gewagt haben, müssen in der Musik- und Filmbranche offenbar realistische Szenarien sein. Es wird klar, dass durch solchen Vorgehensweisen primär nicht die Raubkopierer, sondern legitime Anwender und Unternehmen getroffen würde.




Dass es auch ohne neue Gesetze geht, hat jüngst Microsoft gezeigt: Mit einem neuen Sicherheitsupdate für den Windows Media Player lieferte der Konzern neue Benutzungsbedingungen, die Microsoft das Recht einräumten, auf dem PC des Anwenders automatisch Kopierschutzsoftware zu installieren. Das sei ein Missverständnis gewesen, hat Microsoft inzwischen mitgeteilt. Es gehe nur um künftige Erweiterungen des Rechte-Managementsystems, die nicht automatisch vorgenommen werden.




Es geht auch ohne Gesetz

Wir können allerdings sicher sein: Vergleichbare Mechanismen werden in künftiger Software mittel- und langfristig fest eingebaut sein, falls dies nicht schon der Fall ist. Gerade Unternehmen, die sehr viel stärker auf Sicherheit achten müssen als Private, werden es immer schwieriger haben, in ihrem LAN versteckte "Sendeempfänger" und andere Copyright-Wanzen aufzuspüren. Rechtlich ist das durch einschlägige Bestimmungen im Kleingedruckten abgesichert.



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