Rufmord im Internet
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2007/12
Sie nehmen kein Blatt vor den Mund, veröffentlichen auch geheime Informationen, und sie sind ein gefundenes Fressen für die Medien: Unzufriedene Mitarbeiter, welche über anonyme Blogs Stimmung gegen ihre Firma machen. Diese Erfahrung mussten auch Schweizer Firmen schon machen. So machte letztes Jahr zum Beispiel ein anonymer Blogger namens «Transparence» mit Interna aus dem Hause Nestlé Schweiz und massiver Kritik öffentlich Stimmung gegen die damalige Chefin der Firma – bis diese sich freistellen liess. Andere Unternehmen wie Swisscom oder Swissmetal hatten ebenfalls schon unliebsame Erfahrungen mit der «Blogosphäre». Kommt die Aufmerksamkeit der Medien hinzu, kann ein anonymer Mitarbeiterblog rasch zum Geschäftsleitungsthema werden und damit die Frage aufwerfen, was sich juristisch unternehmen lässt.
Theoretisch lässt sich ein ganzes Arsenal an rechtlichem Geschütz gegen unliebsame Blogger auffahren. Arbeitnehmer haben zum Beispiel eine Treuepflicht, dürfen also nichts tun, was geeignet ist, die Arbeitgeberin wirtschaftlich und in ihrem Ruf zu schädigen. Sie dürfen die Arbeitgeberin nicht schlecht machen, weder gegen aussen noch gegen innen, und auch den Betriebsfrieden dürfen sie nicht stören. Wer das trotzdem tut, bricht seinen Arbeitsvertrag und muss mit entsprechenden Folgen rechnen. Öffentliche Angriffe unter der «Gürtellinie» oder mit falschen Aussagen können unlauterer Wettbewerb sein, die Rufschädigung eine Persönlichkeitsverletzung, und wer Geschäftsgeheimnisse verrät, verstösst auch gegen das Strafgesetzbuch.
In der Praxis wird in den meisten Fällen von rechtlichen Schritten aber vernünftigerweise abgesehen. Denn nicht nur erhöhen Gegenangriffe die mediale Aufmerksamkeit nur noch; auch können sie das Unternehmen dazu zwingen, selbst interne Verhältnisse offenlegen zu müssen. Und schliesslich gibt es auch rechtliche Hürden: So kann auf Unterlassung nur klagen, wer sein Gegenüber kennt. Die fraglichen Blogger treten aber regelmässig anonym auf und benutzen hierzu Server von Providern im Ausland, um ihre Identität zu verschleiern. Liegen von ihnen keine Schweizer IP-Adresse – etwa aus einem E-Mail-Verkehr – oder andere hinreichende Hinweise vor, ist eine auf dem Rechtsweg erzwungende Identifizierung in den meisten Fällen unpraktikabel, wenn überhaupt möglich. Die Firma müsste rechtlich gegen den Provider vorgehen. Wehrt er sich, können Jahre vergehen und hohe Kosten entstehen.
Ist der Provider im Inland, ist ein Vorgehen einfacher. Wurde via Internet eine Straftat begangen, etwa durch unlautere Aussagen, Ehrverletzung oder den Verrat von Geschäftsgeheimnissen, können die Strafverfolgungsbehörden von Providern die Identifikation des Urhebers verlangen, soweit dieser ihnen bekannt ist. Ist der Blogger erst identifiziert, ist auch ein rasches gerichtliches Vorgehen möglich, sofern mit der Demaskierung die Angelegenheit nicht ohnehin faktisch erledigt ist.
Ist der Provider im Ausland oder ein rechtliches Vorgehen nicht angezeigt, kann es sich lohnen, den fraglichen Hosting-Provider direkt zu kontaktieren und ihn um eine freiwillige Sperrung bitten. Viele Provider verbieten in ihren Nutzungsbedingungen rufschädigende und sonstwie illegale Inhalte. Doch auch dieser Weg kann dauern, vor allem bei anderssprachigen Providern im Ausland, und er verhindert nicht, dass der Blogger eine neue Seite eröffnet. Daher ist der Rat an die betroffenen Firmen letztlich meist derselbe: Die Krise mit der nötigen PR-Unterstützung aussitzen, den Blog aktiv verfolgen und sich fragen, was im Vorfeld allenfalls schiefgelaufen ist.