Die neue Dimension der Business-Software

Die Kombination von Business Process Management und Service-orientierten Architekturen bringen den Markt für betriebswirtschaftliche Software zu einem technologischen Quantensprung.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2007/12

     

Service-orientierte Architekturen (SOA) und Business Process Management (BPM) sind entscheidende Softwarekonzepte der zukünftigen Informationstechno­logie, um agiler und flexibler zu werden. Dem Marktforscher Gartner Group zufolge werden bis 2010 mindestens 65 Prozent aller grossen Unternehmen mehr als 35 Prozent ihres Applikations-Portfolios auf SOA stützen. Zudem zeigt eine IT-Benchmark-Studie der Aberdeen Group, dass SOA in den nächsten fünf Jahren ein Einsparpotential von bis zu 53 Milliarden US-Dollar für die weltweit grössten Unternehmen birgt. Dies bestätigt auch der soeben veröffentlichte Business Process Report 2007 von IDS Scheer und PAC (Pierre Audoin Conseil). Die repräsentative Umfrage bei 130 Entscheidungsträgern auf Business- und IT-Ebene aus Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz ergab, dass sich bereits jetzt rund
40 Prozent der Firmen mit der Implementierung von SOA beschäftigen. Zudem hat das Management der Geschäftsprozesse für zwei Drittel der Befragten im Zusammenhang mit Service-orientierten Architekturen höchste Priorität.
Der Markt für betriebswirtschaftliche Anwendungssoftware steht vor einem technologischen Quantensprung. Business Process Management (BPM) und Service-orientierte Architekturen (SOA) revolutionieren den Einsatz und den Nutzen von Software in Unternehmen. Der Traum von einer Software, die eine agile Unternehmensführung unterstützt, wird Realität.


Unternehmenssoftware in der Zukunft - eine Vision

Ein Unternehmen im Jahr 2010: Ein Blick, ein Klick - fertig ist das Modell des neuen Geschäftsprozesses. Noch ein wenig technisches Fine-Tuning, und schon ist das neue Programmbausteinchen - Service genannt - im Ablauf eingebunden und die neue Bezahloption per Handy ist in der Vertriebsanwendung verfügbar. Das Beispiel dokumentiert die Folgen eines anstehenden Paradigmenwechsels, der den bislang gewohnten Umgang und die Nutzung von Anwendungssoftware komplett umkrempelt.
Service-orientierte Architekturen, kurz SOA, gelten als das prägende Softwarekonzept der Zukunft, das der Informationstechnik in den Unternehmen zu mehr Agilität und Flexibilität verhilft. Bis 2010 werden laut Prognose der Analysten von Gartner Group mindestens 65 Prozent der grossen Unternehmen mehr als 35 Prozent ihres An­wendungsportfolios auf das neue SOA-Konzept umgestellt haben.
Die weltweit grössten Unternehmen erwarten in den kommenden fünf Jahren Einsparungen von bis zu 53 Milliarden US-Dollar durch SOA, wie die Aberdeen Group in einem aktuellen IT-Benchmark-Report prognostiziert. Das neue Software-Paradigma schafft enorme Effizienzvorteile, die sich insbesondere in der schnellen Einführung neuer Geschäftsprozesse und Anwendungen, in vereinfachter Integration sowie in beschleunigten Anpassungen und Updates ausdrücken. Nach einhelliger Überzeugung der Analysten von Gartner, Forrester & Co. Liegen die Einsparpotentiale hierbei eindeutig auf der Business-Seite, während die Gewinne durch die neue technische Infrastruktur deutlich geringer ausfallen.


SOA - die Veränderung

Die Vorteile von SOA rühren aus dem gleichermassen einfachen wie eleganten Funktionsprinzip: In einer serviceorientierten Architektur werden kleine Softwarebausteine nach Bedarf flexibel zusammengestellt, um den gewünschten Geschäftsprozess in einem Vorgang komplett zu erledigen. Dies stellt einen dramatischen Bruch zu dem bislang gewohnten Vorgehen dar. Bei den heute eingesetzten integrierten Softwarelösungen hat der Nutzer weder den vollen Zugriff auf Informationen, da Daten in den einzelnen Anwendungen liegen, noch lassen sich kooperative Prozessketten knüpfen, da sich die Software an den funktionsorientierten Aufgaben ausrichtet. Wer trotzdem Wert auf mehr Durchgängigkeit in den Unternehmensprozessen legt, muss nach Schätzung von Gartner-Analysten mehr als ein Drittel des Projektbudgets allein für die Integrationsarbeit aufwenden. Hinzu kommt, dass die Softwarehersteller in der Weiterentwicklung ihrer Lösungen an die Grenzen und Unzulänglichkeiten der heute genutzten Softwarearchitekturen stossen.
Mit Hochdruck arbeiten deshalb alle führenden Anbieter an einem SOA-angelehnten Architekturrahmen für eine neue Generation von Unternehmenssoftware. SOA hilft ihnen, die Anwendungen modularer zu gestalten. Die Komponenten lassen sich mittels SOA nach Bedarf an unterschiedlichen Stellen in einer Lösung mehrfach nutzen. An die Stelle der eng verknüpften Programmbausteine rücken einzelne Services, deren Kommunikation nach vorgegebenen Regeln erfolgt. Die Kombination der Module und Komponenten zu vollwertigen Geschäftsprozessen findet auf einer sogenannten Business Process Platform (BPP) statt. Die betriebswirtschaftliche Logik und die gesamten Abläufe liegen nicht mehr fest in den Programmen, sondern werden ausserhalb der eigentlichen Anwendung verwaltet. Steuernde Prozesse und ausführende (Anwendungs-)Dienste sind konsequent getrennt.






Verschiedene Inhaltsebenen in einer SOA


Mythos & Realität

Ein weitverbreiteter Irrglaube ist, dass SOA zum einen gleichbedeutend mit Web Services und zum anderen als Produkt käuflich erwerbbar ist. Das Gegenteil ist der Fall. Denn SOA ist in erster Linie ein Managementkonzept, das eine IT-Infrastruktur realisiert, die flexibel auf veränderte Anforderungen im Unternehmensumfeld reagiert. Das zugehörige System­architektur-Konzept sieht die Bereitstellung fachlicher Dienste und Funktionen in Form von Services vor – unabhängig von der konkreten technischen Ausgestaltung. Ebensowenig sind die grundsätzlichen IT-Konzepte in SOA neu.


BPM + SOA = Nutzen

Revolutionär ist jedoch der Effekt, den SOA in Zusammenarbeit mit Business Process Management (BPM) für den Umgang mit Anwendungssoftware bedeutet. Denn die Kombination von BPM und SOA schliesst die Kluft zwischen den Geschäftsprozessmodellen der Fachabteilungen und den Programm-Modellen der IT-Abteilungen. In Zukunft erfolgt die Anpassung, Optimierung und Steuerung der physischen Abläufe in den Softwaresystemen aus der betriebswirtschaftlichen Perspektive. Aus dem Geschäftsprozess­modell heraus werden die entsprechenden Services identifiziert und gegebenenfalls neu kombiniert. SOA schafft die technischen Voraussetzungen für die Integration und Kooperation von Prozessen und Systemen. BPM verhilft der Zusammenarbeit der Services zur höchsten Effizienz und Effektivität. Gemeinsam halten beide Konzepte ein Unternehmen nachhaltig fit für den Wettbewerb. BPM und SOA bieten die einzigartige Chance, die IT besser den geschäftlichen Anforderungen anzupassen.


Von der SOA zur Enterprise Services Architecture

Eine serviceorientierte Architektur beschreibt ein technikneutrales Managementkonzept für den Aufbau einer Systemarchitektur für die Unternehmenssoftware, deren Funktionen sich aus Services flexibel zusammensetzen. Sie bildet einen Rahmen, um solche Bausteine zu erstellen, zu verwalten und zu kombinieren.
SOA greift das in der Informa­tionstechnik seit längerem verfolgte Modell der verteilten Software auf, bei dem alle Funktionen eines Programmsystems als unabhängige Softwarestücke definiert sind. Die Realisierung eines Service ist strikt von der Beschreibung getrennt. Durch diese Technikneutralität, im Fachjargon «Transparenz» genannt, lassen sich Services zu einem heterogenen, interoperablen Gesamtsystem zusammenfügen.
Grossen Anteil an der Popularisierung der Serviceorientierung hat die Softwaretechnik der Web Services, deren standardisierte Konzepte auf eine breite Resonanz stossen. Die wichtigsten Standards sind:
➤ UDDI (Universal Description, Discovery and Integration) als allgemeiner Verzeichnisdienst zur Registrierung von Web Services,
➤ WSDL (Web Services Description Language) als Sprache, mit der Web Services beschrieben werden, sowie
➤ SOAP (Simple Object Access Protocol) als Protokoll zur Kommunikation zwischen den Web Services.
Von wachsender Bedeutung ist die XML-basierte Sprache BPEL (Business Process Execution Lan­guage), mit der sich Web Services zu Geschäftsprozessen zusammenfassen lassen. Die Standards geben einen syntaktischen Rahmen vor, Services zu beschreiben, zu finden oder auszutauschen. Semantische Aspekte werden hingegen bislang weitgehend ausgeklammert.
Für komplexe Unternehmensanwendungen ist dies allerdings zu wenig. Aus diesem Grund hat SAP das Konzept der Service-Oriented Architecture zur Enterprise Service-Oriented Architecture (Enterprise SOA) ausgebaut. Dabei handelt es sich um eine erweiterte SOA: Sie ergänzt das Konzept der Web-Services-basierten Entwicklung, Verwaltung und Komposition von Anwendungsfunktionalität um betriebswirtschaftliche Elemente, die eine sinnvolle Nutzung durch Unternehmen ermöglichen.
Enterprise Services sind demnach Web Services mit betriebswirtschaftlichem Mehrwert. Sie bestehen typischerweise aus einer Kombination von Web Services gepaart mit Geschäftslogik. Ausserdem unterstützen sie einen Geschäftsprozessschritt und sind wiederverwendbar. Ein typisches Beispiel für einen Enterprise Service ist eine Auftragsstornierung, die weitere Funktionen wie etwa das Löschen des Auftrags­datensatzes im Vertriebssystem oder Buchungsaktionen im Rechnungswesen automatisch auslösen kann. Ein Enterprise Service umfasst folglich alle Schritte, die semantisch zu einer Aufgabe gehören.
Eine zentrale Rolle übernimmt in diesem Zusammenhang das Enterprise-Services-Repository (ESR), das ein vollständiges Abbild der betriebswirtschaftlichen Logik aller verfügbaren Lösungen, Prozesse und Services unterhält. Dieses Repository, das künftig integraler Bestandteil der NetWeaver-Plattform sein wird, verfügt über alle semantischen Zusammenhänge zwischen Geschäftsprozessen und Enterprise Services.
Werden Prozessmodelle und Enterprise Services mit einem Modellierungswerkzeug wie beispielsweise Aris entwickelt, unterstützt das ESR mit einem ganzheitlichen Ansatz den direkten Durchgriff von der Modellierungsebene bis hinunter in die Prozess-Services, um die Prozessausführung zu orchestrieren. Die bislang aufwendige und mühselige Aufgabe der Anpassung von Geschäftsprozessen entfällt. Die Fachabteilung modelliert den Prozess, dieser wird verlustfrei in die Konfiguration der Software transformiert.
Damit gleicht die Enterprise Services-Oriented Architecture das Potential einer SOA konsequent mit den Anforderungen von Unternehmensanwendungen ab und überwindet mit ihrem ganzheitlichen Ansatz die semantische Kluft zwischen Betriebswirtschaft und IT.





Ganzheitlicher SOA-Lebenszyklus


Vorteile SOA/BPM auf einen Blick

Vorteile für den Fachanwender:

· schnellere Einführung neuer Geschäftsprozesse

· schnellere Reaktion auf veränderte Marktbedingungen

· IT folgt Geschäftsprozess, nicht umgekehrt

· Freiräume für Innovation



Vorteile für die IT-Abteilung:

· Architekturaufbau mit sauberen Funktionalitäten und Schnittstellen, auf Sicht reduzierte Komplexität

· Auflösung wechselseitiger Abhängigkeiten von Programmen

· höhere Wiederverwendbarkeit von Programmbausteinen

· Freiräume für Innovation

· höhere Akzeptanz bei der Fachabteilung


Der Autor

Christophe Imbach ist Geschäfts­führer der IDS Scheer Schweiz.




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