Editorial

Lederagenden-Chefs stören die Kommunikation


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2007/11

     

Wie ist das, wenn in Ihrem Unternehmen die Mail-Infrastruktur oder die Telefonanlage ausfallen? Irrt in solchen Fällen die halbe Belegschaft ziel- und orientierungslos in den Gängen umher?
Ich kann Sie beruhigen. Das ist vom psychologischen Gesichtspunkt her gesehen ganz normal. Was allerdings nicht heisst, dass es so sein muss. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, und wenn seine normalen Verhaltensweisen ins Leere laufen, reagiert er natürlicherweise mit Verwirrung. Bloss, heute stehen sehr viel mehr Kommunikationskanäle zur Verfügung als nur Mail oder Telefon. Instant Messaging, Mobilfunk und Kollaborationsplattformen erlauben den Informationsaustausch auf vielen verschiedenen Ebenen.



In der Realität nutzen allerdings die meisten Menschen nur wenige dieser Möglichkeiten. Haben sie sich einmal ans Mailen gewohnt, werden die Messaging-Funktionalitäten lieber erst gar nicht mehr angeschaut. Zugegeben, Microsoft macht es einem derzeit auch nicht gerade einfach. Mit Vista, Office 2007, Groove, Sharepoint Server 2007 und dem noch in diesem Jahr erwarteten Office Communications Server überhäuft der Hersteller einen momentan geradezu mit Kommunikationslösungen, die alle leicht unterschiedliche Funktionalitäten in den Mittelpunkt stellen. Da ist es auch nicht verwunderlich, wenn die Anwender sich überfordert in ihr Schneckenhaus zurückziehen.




Es ist an den Chefs und den Informatikverantwortlichen, ihre Angestellten wieder an die frische Luft zu holen. Sie müssen die neuen Möglichkeiten im Unternehmen bekanntmachen und vorleben. Eine einmalige Information reicht da nicht. Meist braucht jemand mehrere Anläufe, bis er sich mit einem neuen Instrument so vertraut gemacht hat, dass er es in seinen Arbeitsalltag einbaut. Schulungen müssen darum regelmässig wiederholt werden, bis wirklich alle Kommunikationsformen so genutzt werden, wie dies für das Unternehmen am effektivsten ist.



Den Chefs fällt dabei die Aufgabe zu, die gesamten Möglichkeiten aktiv vorzuleben. Wenn der Geschäftsführer selber immer noch eine Lederagenda führt und sich damit auch noch als etwas Spezielles brüstet, muss er sich nicht wundern, wenn auch seine Angestellten die ganzen teuren Möglichkeiten links liegen lassen. Als Vorgesetzter muss er auch dafür sorgen, dass gewisse Tätigkeiten ausschliesslich über die neuen Kanäle durchgeführt werden können. Die alten Systeme sollten wann immer möglich ganz abgeschaltet werden, damit möglichst wenige Fluchtmöglichkeiten in die alten Verhaltensmuster offenbleiben. Denn wie gesagt, der Mensch ist von einer ganz natürlichen, inneren Faulheit. Er braucht immer auch ein wenig Druck, um sich zu verändern.



Und natürlich ist die Informatik neben der Schulung auch dafür verantwortlich, dass die schöne neue Kommunikationswelt sinnvoll und vor allem ausfallsicher implementiert ist. Es darf nicht vorkommen, dass ein einziger Geräteausfall gleich die komplette Infrastruktur lahmlegen kann.
Und wenn dann trotzdem einmal schweizweit sämtliche Netzwerke ausfallen sollten – oder es vor dem Haus Blumentöpfe regnet –, dann haben die Mitarbeiter auch einmal das gute Recht, ein wenig kopflos durch die Gänge zu irren.




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