Projektmanagement als Teil des CRM

CRM-Anwendungen müssen wie die übrige Business-Software auf die Prozesse eines Unternehmens angepasst sein – auch bei Dienstleistern.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2007/11

     

Der Stellenwert der Kundenbeziehungspflege ist in den letzten Jahren massiv gestiegen. Es gibt heute kaum mehr ein Unternehmen, das sich nicht aktiv mit diesem Thema auseinandersetzt. Ob aber ein Betrieb dafür spezifische Softwarewerkzeuge einsetzt, ist eine andere Frage.
Viele arbeiten beim Kontakt mit den Kunden noch immer ausschliesslich mit den gängigen Office-Applikationen und nutzen Outlook zur Kontaktverwaltung. Dies hat seinen Grund unter anderem auch darin, dass häufig keine CRM-Systeme (Customer Relationship Management) erhältlich sind, die den speziellen Anforderungen des eigenen Unternehmens entsprechen.


Fehlende Branchenspezifizierung

Die Tatsache, dass auch heute noch viele CRM-Applikationen ohne Branchenspezifizierung angeboten werden, erstaunt. Während es praktisch undenkbar ist, dass ein Handelsunternehmen eine Geschäftslösung einsetzt, die eigentlich für die herstellende Industrie entwickelt wurde, wird die Kundenbeziehungspflege noch immer häufig als generisches Thema behandelt, bei dem alle Branchen über den gleichen Leisten geschlagen werden.



Dabei zeigen sich auch in der Art und Weise der Kundenkontakte grundlegende Unterschiede zwischen verschiedenen Industrien und Branchen. Ein Unternehmen, das seine Produkte an eine breite, nicht persönlich adressierbare Gesellschaftsschicht verkauft, benötigt ganz andere Prozesse als eine Firma, deren Kundenstamm aus einzelnen Grossabnehmern aus der Industrie besteht. Ausgeklügelte Funktionalitäten wie Cross-Selling, die für gewisse Unternehmen zentraler Bestandteil des Verkaufs sind, machen für andere keinen Sinn.


Überflüssiges behindert den Erfolg

Solche überflüssigen Funktionen sind aber nicht bloss unschön. Gerade im CRM-Umfeld haben sie einen entscheidenden, negativen Einfluss auf die Erfolgswahrscheinlichkeit der gesamten Aktivitäten. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre haben nämlich gezeigt, dass das einfache Handling einer der wichtigsten einzelnen Erfolgsfaktoren für die Anwendung der Software ist.


CRM-Systeme, die von den Mitarbeitern zuviel Aufwand oder unsinnige Angaben verlangen, werden in der Praxis schlecht akzeptiert. Dies führt zum Beispiel dazu, dass die Daten unvollständig erhoben werden. Durch lückenhafte Kunden-Historien vermindert sich aber der Wert des CRM-Systems für die Mitarbeiter an der Verkaufsfront, und ihre Bereitschaft, Zeit in die Datenerfassung zu investieren, sinkt weiter – ein Teufelskreis.



Wenn sich also der Verkäufer eines Dienstleisters mit Funktionen wie Cross Selling konfrontiert sieht, die einem Buchhändler beispielsweise helfen, indem sie zusätzliche, ähnlich gelagerte Bücher vorschlagen, die den Kunden vielleicht auch noch interessieren könnten, wirkt dies nicht nur komisch. Es beeinträchtigt die Erfolgsaussichten des gesamten CRM-Einsatzes beträchtlich. Zusätzliche Kundenbedürfnisse ergeben sich bei Dienstleistern im Projektverlauf und nicht aus dem statistischen Vergleich von Geschmacksvorlieben.


Dienstleister funktionieren anders

Projektbezogen arbeitende Dienstleister sind einer jener Wirtschaftszweige, deren spezifische Bedürfnisse von den gängigen Standard-CRM-Systemen praktisch überhaupt nicht abgedeckt werden. Die zentrale wirtschaftliche Grösse eines solchen Dienstleisters sind die verrechenbaren und die nicht verrechenbaren Leistungen seiner Mitarbeiter. Sie bestimmen den Umsatz und die Rentabilität.


Im Gegensatz zur herstellenden Industrie arbeiten die Mitarbeiter dabei nicht an eigentlichen Produkten, sondern an Projekten oder Mandaten. Dies führt zu einer Reihe von grundlegenden Differenzen zu anderen Branchen: So werden Projekte beispielsweise nicht einmal gefertigt und dann verkauft und allenfalls noch von einer Service-Organisation betreut. Sie befinden sich während der Projektabwicklung vom ersten Verkaufskontakt bis zum Abschluss in einer dauernden Veränderung. Dabei kommt es zu einer Vielzahl von Interaktionen mit dem Kunden, häufig auch durch verschiedene Mitarbeiter.



Eine CRM-Software muss auch die Informationen aus diesen Kontakten vollständig aufnehmen und allen beteiligten Mitarbeitern als lückenlose Historie zur Verfügung stellen. Schliesslich muss zum Beispiel der Verkäufer informiert sein, wenn eine kritische Projektphase ansteht, damit er seine Aktivitäten entsprechend koordinieren kann.
Dies ist umso wichtiger, als aus laufenden Projekten vielfach Folgeaufträge generiert werden können. Ein Kunde wird zudem wenig Verständnis dafür aufbringen, dass er einem Verkäufer seine Bedürfnisse und Verhältnisse ein weiteres Mal darlegen muss, wenn der Dienstleister doch schon im laufenden Projekt über alle Einzelheiten informiert wurde. Und auch der Projektleiter profitiert, wenn er über die Umstände des Vertragsabschlusses vollständig informiert ist. So kann er neu auftauchende Geschäfts­opportunitäten schneller erkennen und die entsprechenden Informationen an den Verkauf weiterleiten.


Auf der anderen Seite haben die Projekte ihren Ursprung meist in einem ersten Kundenkontakt des Verkaufs. Es ist darum sinnvoll, wenn die Stammdaten eines Kunden von Anfang an zusammen mit allen anderen Projektdaten als ein einzelner und darum auch konsistenter Datensatz abgelegt werden. So hat das Unternehmen immer eine Gesamtsicht auf einen Kunden mit sämtlichen aktiven und abgeschlossenen Projekten und nicht bloss einen isolierten Blick auf einzelne Projekte, Projektphasen oder die Akquisition.


Integration von CRM und Projektmanagement

Auf der Software-Ebene bedeutet dies, dass das CRM mit dem Projektmanagement integriert sein muss. Beide Funktionen müssen ihre Daten in der gleichen Datenbank pflegen. Nur so haben alle Mitarbeiter immer die gesamten Kunden-Historien lückenlos zur Verfügung.


Genau das ist ja der Sinn eines CRM-Systems: Eine möglichst lückenlose Sammlung sämtlicher in den Abteilungen anfallenden Daten über die Kunden sowie aller Transaktionen in einer Datenbank. Nur wenn die Daten möglichst vollständig sind, kann das CRM seine Aufgaben in der Vertriebs­automatisierung, der Unterstützung von Service und Support oder bei der Durchführung von Marketing-Aktivitäten effizient erfüllen.



Natürlich kann es für einen Dienstleistungsbetrieb im Einzelfall trotzdem Sinn machen, eine isolierte CRM-Lösung zur Verkaufsunterstützung anzuschaffen. Ein On-Demand-System kann beispielsweise in einer Übergangsphase das geeignete Werkzeug sein, bis eine integrierte Lösung gefunden wurde. Es wird aber immer nur einen Teil der Bedürfnisse abdecken können.


So profitiert zum Beispiel auch die Offertstellung, wenn CRM und Projektmanagement dieselbe Datenbank nutzen. Dann können nämlich die Informationen aus aktuellen Projekten zur Berechnung einer Offerte herangezogen werden. So werden wesentlich genauer kalkulierte Angebote möglich.


Ein Cockpit für das ganze Unternehmen

Zusätzlicher Nutzen entsteht, wenn nicht nur CRM und Projektmanagement, sondern auch die gesamte Leistungserfassung im selben System stattfindet. So kann das Unternehmen für seine Offertstellung Analysen über sämtliche Bereiche fahren und beispielsweise auch die Produktivität der zur Verfügung stehenden Teams in seine Berechnungen miteinbeziehen. Für solche auf projektbezogen arbeitende Dienstleistungsunternehmen zugeschnittene Gesamt­systeme setzt sich langsam der Begriff Leistungssoftware durch. Der Name unterstreicht die zentrale Bedeutung der verrechenbaren und der nicht verrechenbaren Leistungen für diese Unternehmenskategorie.


Die Verbindung aller zentralen Business-Komponenten vom CRM über die Leistungserfassung bis zum Projektmanagement und der Verrechnung in einer Leistungssoftware bringt noch einen weiteren entscheidenden Vorteil mit sich: Je weniger einzelne Applikationen durch die Mitarbeiter bedient werden müssen, umso einfacher fällt diesen die Bedienung, da sämtliche Eingaben der gleichen Logik folgen. Dies erhöht die Bereitschaft zur umfassenden Datenerhebung und ist damit der beste Erfolgsgarant vor allem auch für den CRM-Einsatz.



Zudem ermöglicht die Integration aller Komponenten in einer Datenbank die Analysemöglichkeiten von im Idealfall ebenfalls integrierten Business-Intelligence-Funktionalitäten. Die Geschäftsführung ist dadurch frei, selber zu entscheiden, welche Bereiche, Abteilungen oder Dienstleistungsarten sie für Analysen in welchen Kombinationen miteinander in Beziehung setzen will. So kann das Unternehmen wie ein Automobil von einem Fahrersitz aus zielgerichtet gesteuert werden.


Der Autor

Claudio Pietra ist Geschäftsführer des Zürcher Leistungssoftware-Herstellers Vertec. Sie erreichen ihn unter claudio.pietra@vertec.ch.




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