VoIP ist erwachsen geworden

Die Zeiten, in denen Internettelefonie eine heitere Rätselrunde war, sind vorbei. Besserer Sprachqualität und sicheren Verbindungen sei Dank.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2007/09

     

Mr. Bell würde sich freuen. Über 130 Jahre nach seiner revolutionären Erfindung des Telefons erobert dieses die Welt ein zweites Mal. Heute auf digitalem Weg. Wenn auch nicht ganz so weltverändernd wie damals, ist dies sicherlich bemerkenswert. Doch bislang konnte Voice over IP (VoIP) mühsam sein: Echos, verzögerte Sprachübermittlung und Hintergrundrauschen waren zwangsläufige Nebenerscheinungen. Internettelefonie in den Kinderschuhen war keine angenehme Erfahrung. Die erste Entwicklungsstufe weg von Computer und Mikrofon zum VoIP-Telefon von Anbietern wie Skype war beinahe genauso enttäuschend. Kurze Akkulaufzeiten und nach wie vor unbefriedigende Verbindungsstandards verhinderten den grossen Durchbruch.



Mittlerweile ist die Technologie aber ausgereift, und mehrere Anbieter präsentieren bereits die ersten All-in-One-Lösungen zur Koppelung von Internet- und traditionellen Telefontechnologien. Diese ermöglichen es, kabellose Internetverbindung und somit auch VoIP, ISDN-Telefonie sowie analoge Telefontechnologien in einem Gerät unterzubringen. Die Anschaffung eines bis dato teuren VoIP-Telefons ist heute überflüssig; das bisherige Gerät kann an den Router angeschlossen werden, und schon telefoniert (oder faxt) man übers Netz. Und endlich kann man nun auch per Internet telefonieren, ohne dass der Computer die ganze Zeit eingeschaltet sein muss. So überraschen denn auch die Zahlen der IDC nicht sonderlich. Immer mehr Unternehmen in Europa, immerhin schon 44 Prozent der 660 befragten Unternehmen, sollen sich demnach gemächlich, aber stetig auf VoIP einstellen. Denn schliesslich ist es vor allem eines: billiger.
Durch die stetige Weiterentwicklung und Verbesserung von Technik und Qualität sind allerding auch neue Fragen entstanden. Warum zum Beispiel die Verbindung ins ferne Ausland teilweise klarer und besser verständlich erscheint als ein Kurzdistanz­gespräch innerhalb der gleichen Stadt.


Ein Standard

Sämtliche hier vorgestellten All-in-One-Lösungen basieren auf dem SIP-Standard, dem «Session Initiation Protocol». Dieses ermöglicht den Aufbau einer Kommunikationsverbindung zwischen zwei oder auch mehreren Parteien.
Zu den grossen Vorteilen des SIP-Standards zählt, dass es sich um einen offenen Standard handelt, der mittlerweile sehr weit verbreitet ist, Kompatibilität ist somit kein Thema mehr. Ausserdem kann durch das Protokoll eine bereits bestehende Sitzung modifiziert werden, muss also nicht von Grund auf neu etabliert werden. Dies ermöglicht es, während einer laufenden Sitzung weitere Parteien in die Verbindung einzubinden oder auszuklinken. Auch die Sicherheit kann, dadurch dass SIP-Server verteilt sind, erhöht werden. So wird im Falle einer Attacke auf einen SIP-Server nur der jeweilige Anbieter davon betroffen sein und nicht die gesamte über SIP vermittelte Telefonie.
Der einzige Nachteil des SIP-Standards ist, dass dieser zur Übermittlung der Sprachdaten auf das «Real-Time-Transfer-Protocol» (RTP) zurückgreift, welches die verwendeten Ports dynamisch bezieht. Dies kann unter Umständen zu Komplikationen mit Firewalls oder NATs führen, da die dynamischen Ports nicht der Signalisierungsverbindung zugeordnet werden. Abhilfe schafft hierbei die Verwendung eines STUNs (Simple Traversal of UDP over NATs) oder auch das Ausweichen auf andere Protokolle wie IAX. Davon ist aufgrund der geringen Standardisierung dieses Protokolls allerdings abzuraten, zumal sich auch die allfällige Problembehebung innerhalb dieses Protokolls zunehmend schwieriger gestaltet.


VoIP und Sicherheit

Wer sich beim Telefonieren auf seine Internetverbindung verlässt. muss auch darauf vorbereitet sein, mit denselben Risiken wie beim Surfen konfrontiert zu werden. Ist der Nutzer nicht ausreichend abgesichert, lassen sich zum Beispiel Gespräche übers Internet ohne grossen Aufwand abhören. Auch Spam kann für VoIP zum Ärgernis werden. Hierbei wird der User mit sogenanntem SPIT zugeschüttet, telefonischer Werbung. Wer also nicht mitten in der Nacht von automatisierten Werbeanrufen für chinesische Bettwäsche oder ähnliches belästigt werden möchte, sollte beim Kauf eines VoIP-Adapters auf dessen Sicherheitsstandards und auf die eigene Firewall achten. Die Mehrzahl der Geräte ist heute durch die «Stateful Packet Inspection» (SPI) gesichert. Diese Paketfiltertechnologie ordnet jedes Datenpaket aktiv einer bestimmten Kommunikationsverbindung zu. Auch der Verbindungsstatus wird in die Überprüfung mit einbezogen. Nach der Analyse der einzelnen Datenpakete wird entschieden, ob die Daten vom Gerät angenommen werden oder nicht. So können Datenpakete, welche keinem besimmten Kriterium beziehungsweise keiner schon einmal hergestellten Verbindung zugeordnet werden können oder möglicherweise Teil einer DoS-Attacke sind, einfach ausgefiltert werden. Für die Erkennung einer früheren Verbindung spielt es dabei keine Rolle, ob diese von Ihnen oder Ihrem Gegenüber aus initiiert wurde.


Mobile VoIP?

Der Entwicklung folgend wird der nächste Schritt das mobile VoIP sein. Sobald sich die drahtlose Internettechnologie überall und mit unbegrenzt zur Verfügung stehendem Volumen durchgesetzt hat, werden wir auf unseren Smartphones und PDAs auch unterwegs via Internet telefonieren wollen. Fraglich bleibt dabei, womit die Mobiltelefongesellschaften zukünftig ihr Geld verdienen wollen, wenn wir alle nur noch via Internet telefonieren. Sie gehen dabei, der heutigen Marktsituation nach, schliesslich leer aus. Neue Marktstrategien seitens der Unternehmen werden erforderlich sein. Noch interessanter ist allerdings die Frage, ob es überhaupt noch Telefonanbieter im traditionellen Sinne brauchen wird. In der Theorie sind sie bereits heute nicht mehr zwingend vonnöten, zumindest was das Festnetz betrifft. In der Praxis hingegen scheint sich hierzulande die altbewährte Telefontechnologie noch halten zu können. Zu sehr hängen wir an unseren Gewohnheiten, noch zu wenig Vertrauen schenken wir der internetbasierten Telefonie. Allerdings dürte es bloss eine Frage der Zeit sein, bis auch die übrigen 56 Prozent der europäischen Unternehmen aus Kostengründen auf VoIP umsteigen werden.






VoIP-Adapter für analoge Telefone




Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Aus welcher Stadt stammten die Bremer Stadtmusikanten?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER