System Center: alles aus einer Hand
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2007/08
Seit Microsoft seine DSI (Dynamic Systems Initiative) angekündigt hat, ist einige Zeit vergangen. Microsoft hat diese als Reaktion auf IBMs «On Demand»-Strategie angekündigt. Das Ziel der DSI ist eine Infrastruktur, in der sich Systeme mit möglichst geringem Aufwand an geänderte Anforderungen anpassen lassen. Das Microsoft System Center ist die Oberbezeichnung für eine ganze Reihe von Produkten, mit deren Hilfe sich diese Ansätze umsetzen lassen sollen. Auf der konzeptionellen Ebene werden diese Produkte beispielsweise durch eine Sprache für die Modellierung von Systemarchitekturen unterstützt, die zukünftig auch in System-Center-Produkten implementiert werden soll.
Im Rahmen der DSI spielen nicht nur die Lösungen für das Systemmanagement, sondern beispielsweise auch für die Virtualisierung eine wichtige Rolle. Letztlich sind dort alle Konzepte zusammengefasst, mit denen IT-Infrastrukturen einfacher konfigurierbar, anpassbar und skalierbar werden – und mit deren Hilfe die IT besser als bisher in der Lage sein soll, geänderte Business-Anforderungen umzusetzen.
Mit dem System Center sollen alle Kernbereiche des IT-Infrastruktur- und Systemmanagements adressiert werden:
- Operations Management: Das beginnt bei dem Operations Management, also der Verwaltung von Systemen im laufenden Betrieb, der Erkennung von Ausnahmesituationen und einer möglichst automatischen Behandlung solcher Ausnahmesituationen.
- Change Management: Ein zweiter zentraler Bereich ist das Change Management, also die Änderung von Konfigurationseinstellungen und insbesondere die Nachvollziehbarkeit und die kontrollierte Durchführung solcher Änderungen.
- Configuration Management: Im engen Zusammenhang mit dem Change Management steht das Configuration Management, also die Verwaltung von Systemkonfigurationen. Der primäre Fokus liegt hier auf dem Sicherheitsmanagement, also dem Umgang mit sicherheitsrelevanten Konfigurationseinstellungen von Systemen.
- Release Management: Ein weiteres wichtiges Thema ist das Release Management, das wiederum einen unmittelbaren Bezug zum Change Management hat. Dabei geht es um die Verwaltung von verschiedenen Versionen von Software und Images und deren gezielte Freigabe.
- Asset Management: Auch das Asset Management, also eine über die technisch geprägte Inventarisierung hinausgehende Verwaltung von IT-Assets mit Verknüpfung zu betriebswirtschaftlichen Informationen, steht auf der Agenda dessen, was Microsoft für das System Center realisieren möchte.
- Incident Management: Auch dem Incident Management, also der Erkennung und strukturierten Behandlung von Problemen, möchte sich Microsoft zukünftig mit dem System Center widmen. Dazu gehört auch die Möglichkeit, dass Benutzer Probleme melden und diese mit einem Ticketing-System nachverfolgt und abgearbeitet werden können.
Weitere Felder, die mit System-Center-Lösungen adressiert werden sollen, sind das Data Protection Management und das Capacity Management. Ersteres zielt auf zentrale Lösungen für den Schutz von Daten vor Verlust und missbräuchlicher Verwendung. Letzteres betrifft vor allem das Management von Server-Infrastrukturen und den dort verfügbaren Kapazitäten und umfasst damit auch die gesamten Ansätze für die Virtualisierung.
Wenn man sich die Liste der Themen anschaut, die mit dem System Center adressiert werden sollen und sie mit den Ansätzen von ITIL (IT Infrastructure Library) vergleicht, wird deutlich, dass Microsoft mit dem System Center im wesentlichen die gleichen Themenfelder adressiert. Das ist auch nicht überraschend, denn ITIL ist letztlich eine Best-Practice-Beschreibung für das Management von IT-Infrastrukturen – und das System Center soll eine konkrete, umfassende Lösung dafür mit Fokus auf Windows-Umgebungen werden.
Das System Center als Konzept umfasst eine Reihe von Produkten, die teilweise schon verfügbar sind, teilweise aber auch erst im Laufe dieses Jahres auf den Markt kommen werden. Ausserdem gibt es ergänzende Komponenten, die als Solution Accelerator bezeichnet werden, und eine Service-Desk-Lösung, die wohl noch etwas länger auf sich warten lassen wird.
Die Kernprodukte sind der System Center Operations Manager, der System Center Configuration Manager, der System Center Data Protection Manager, die System Center Essentials, der System Center Virtual Machine Manager und der System Center Capacity Planner sowie der System Center Reporting Manager. Die Service-Desk-Komponente soll später als System Center Service Manager hinzukommen.
Microsoft nennt aber auch Produkte wie das SoftGrid (siehe InfoWeek 07/07), die PowerShell und selbst Betriebssysteme im Kontext des System Center. Bei den ergänzenden Solution Accelerators gibt es einerseits das SMS 2003 Desired Configuration Monitoring und andererseits eine MOM 2005 SLA Scorecard für Exchange, um dort einfacher Service Level Agreements umsetzen zu können. Man könnte aber auch den Solution Accelerator for Business Desktop Deployment (BDD) mit dazuzählen, da bei diesem das Release Management von Images einen zentralen Raum einnimmt.
Wenn man die Liste der genannten Produkte betrachtet, scheint es auf den ersten Blick nur ein bekanntes Produkt zu geben, den System Center Operations Manager. Damit handelt es sich um den aktuellen Release der früher als MOM (Microsoft Operations Manager) bezeichneten Anwendung.
Ein zweites Produkt ist aber auch nicht wirklich neu, sondern wird nur ein neuer Release einer bereits vorhandenen Anwendung sein. Der System Center Configuration Manager 2007 ist der direkte Nachfolger des SMS 2003, mit entsprechend erweiterter Funktionalität. Diese beiden Produkte werden auch den Kern des zukünftigen System Center bilden und später um die bereits angesprochene Service-Desk-Lösung ergänzt.
Beim System Center Data Protection Manager steht zunächst die Sicherung und Wiederherstellung im Mittelpunkt. Derzeit gibt es eine erste Basisversion. Erst mit dem Release 2 des Data Protection Manager werden aber auch elementare Aufgaben wie die Sicherung auf Bandlaufwerke unterstützt werden. Der generelle Ansatz ist eine Byte-Level-Sicherung von Änderungen, also die Nutzung von Snapshots. Dadurch wird das Volumen der zu sichernden Daten reduziert und eine häufige Sicherung ermöglicht, auch über WAN-Verbindungen oder andere Leitungen mit geringerer Bandbreite.
Der System Center Capacity Planner ist dagegen eher ein Add-on, mit dessen Hilfe sich die erforderlichen Systemkapazitäten für Exchange Server und Operations Manager ermitteln lassen. Andererseits zeigt dieses Tool auch eine wichtige Entwicklungstendenz auf: Das Management soll zukünftig immer stärker über die Modellierung von Infrastrukturen und eine automatisierte Umsetzung der Ergebnisse und immer weniger über die manuelle Konfiguration von Systemen erfolgen.
Auch der System Center Reporting Manager ist eine der eher «schlanken» Anwendungen im System-Center-Portfolio. Mit dem Tool lassen sich Informationen aus verschiedenen Quellen in einer Art Data Warehouse auf Basis des Microsoft SQL Server zusammenfassen und mit auf den SQL Server Reporting Services basierenden Berichtsfunktionen auswerten. Damit sollen beispielsweise Ereignis- oder Performance-Daten auch über einen langen Zeitraum gesammelt und ausgewertet werden können, um eine gute Basis für die Analyse und die weitere Planung zu erhalten.
Der System Center Virtual Machine Manager ist wiederum ein Add-on zum Microsoft Virtual Server, mit dessen Hilfe sich virtuelle Maschinen einfacher verwalten und unterschiedlichen Servern zuordnen lassen. Das Werkzeug spielt also für das Kapazitätsmanagement von Servern eine wichtige Rolle, soweit mit Virtualisierungstechnologien gearbeitet wird.
Wirklich neu sind dagegen die System Center Essentials, bei denen der Name auch Programm ist. Die Lösung richtet sich an kleine und mittlere Unternehmen, für die das volle Portfolio des System Center zu komplex in Einführung und Betrieb ist. Zielsetzung von Microsoft ist es, eine einfache Umgebung anzubieten, mit der alle Grundfunktionen abgedeckt werden. Dazu gehören das Patch Management, ein grundlegendes Monitoring von Systemen, eine umfassende Inventarisierung und die Unterstützung der Softwareverteilung.
Mit den System Center Essentials greift Microsoft die vielen Anbieter von Client-Lifecycle-Management-Systemen an. Ein direkter Vergleich wird sicher interessant, weil Microsoft einerseits eine sehr enge Integration mit dem Active Directory und den Gruppenrichtlinien angedacht hat, andererseits aber einige wichtige Funktionen wie die Betriebssystemverteilung, die Fernsteuerung oder weitergehende Lösungen für die Verknüpfung von technischen Informationen mit betriebswirtschaftlichen Daten wie Kostenstellen fehlen. Allerdings werden einige der Bereiche wie die Betriebssystemverteilung und die Fernsteuerung über Betriebssystemfunktionen abgedeckt.
Mit den schon verfügbaren oder in Beta befindlichen Produkten im System-Center-Portfolio macht Microsoft deutlich, dass man das Thema des IT-Infrastrukturmanagements ernst nimmt und umfassend zu adressieren gedenkt. Im Vergleich zum bisherigen Portfolio, das doch beachtliche Lücken hatte, wird Microsoft schon mit dieser zweiten Welle von System-Center-Produkten deutlich konkurrenzfähiger – und mit den System Center Essentials auch zu einem ernstzunehmenden Herausforderer der bisherigen Platzhirsche im Client-Lifecycle-Management-Markt.
Darüber hinaus lässt sich an einigen Stellen auch schon erkennen, wohin die weitere Entwicklung gehen wird. Dass Microsoft hier einen strategischen Fokus setzt, wird nicht zuletzt auch an den Akquisitionen und Neuerungen im Bereich der Virtualisierung deutlich. Sicher ist in jedem Fall, dass das System Center doch einiges an interessanten Neuerungen bringen wird und die Art und Weise, wie man Windows-Infrastrukturen verwaltet, verändern – und verbessern – wird.
Aktuelle und geplante Produkte der System-Center-Familie