Editorial

Tue Gutes und sprich darüber


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2007/06

     

Ein Grundgesetz moderner Öffentlichkeitsarbeit besagt, dass man über gute Taten viel und ausführlich reden sollte. Nicht nur, damit jeder etwas von der guten Tat mitbekommt – wenn man es geschickt anstellt, fallen auch die weniger guten Aspekte der guten Tat niemandem auf. Eine solche gute Tat war mit Sicherheit die Freigabe von Windows Vista. Einmal abgesehen vom Ressourcenhunger, der Rekorde bricht, und der üblichen Kritik, die jede neue Windows-Version seit Windows 95 begleiten, für Entwickler stellt Vista durch den «Einbau» der .Net-3.0-Laufzeit (auch für XP und Windows Server 2003 verfügbar) eine Plattform dar, auf der sich eine neuartige Generation von Anwendungen realisieren lässt. Einen kleinen Vorgeschmack gibt es in Form der neuen Shopping-Plattform des Versandhauses Otto zu sehen.




Dummerweise ist das Hauptgesprächsthema in Entwicklerkreisen wenn es um Vista geht derzeit die Inkompatibilitäten. Und zwar nicht zu jenen Produkten der Konkurrenz, die wieder einmal die Spezifikationen nicht rechtzeitig umgesetzt hat, sondern zum Flaggschiffprodukt Visual Studio aus dem eigenen Haus. «Dieses Programm verfügt über bekannte Kompatibilitätsprobleme», heisst es lapidar nach dem Start von Visual Studio .Net 2003 und Visual Studio 2005. Kein Wunder, dass viele Entwickler sauer sind. Und sich der Verdacht aufdrängt, dass die Visual-Studio-Entwickler vielleicht nicht rechtzeitig mitbekommen haben, dass ein paar Türen weiter auf dem Campus in Redmond gerade eine neue Windows-Version entwickelt wird. Mit ein wenig mehr Abstimmung hätte es diese Probleme eigentlich nicht geben dürfen.





Zum Glück ist das nur der übliche Sturm im Wasserglas. Inzwischen gibt es ein SP1-Update für Vista für Visual Studio 2005. Und selbst Visual Studio .Net 2003 läuft trotz Kompatibilitätswarnung unter Vista. Wer bereit ist, die Benutzerkontensteuerung zu deaktivieren (was natürlich nicht empfohlen wird), oder sich die Mühe macht, sich mit dem enorm komplex wirkenden Microsoft Application Compability Toolkit 5.0 (kurz ACT) zu beschäftigen, sollte jede Anwendung zum Laufen bringen. Auch mit der Ausführung von .Net-1.1-Anwendungen gibt es unter Vista zumindest offiziell keine Probleme. Eine Garantie gibt es aber nicht, denn wer sich als Entwickler nicht an die bereits vor Jahren herausgegebenen Empfehlungen gehalten hat, etwa nicht in bestimmte Verzeichnisse oder Bereiche der Registry zu schreiben, wird mit einer Security Exception bestraft. Ganz zu Recht, wie ich meine. Was ebenfalls nicht alle Entwickler wissen:





Mit einem kleinen Kommandozeilentool mit dem Namen MsBee, das auf MsBuild aufsetzt, lassen sich VS-2005-Projekte auch für .Net 1.1 kompilieren. Auch unter Vista. Erst mit Visual Studio «Orcas» wird man die Version der .Net-Runtime, gegen die kompiliert werden soll, bequem auswählen können. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass
das «uralte» VB 6.0 als einziges Entwicklungs­tool offiziell unterstützt wird. Damals hat
man anscheinend noch vorausschauend
programmiert.
Softwarefirmen und erfolgreiches Marketing, das passt offenbar nur selten zusammen. Immer noch vertrauen die Hersteller zu sehr darauf, dass ein neues Produkt seinen Markt schon findet. Wer ausser Apple kann mit High-Tech-Geräten ein Lebensgefühl kultivieren? Microsoft wird oft vorgeworfen, zuviel Marketing zu machen. Ich finde, es könnte manchmal durchaus etwas mehr sein.




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