Warum die KMU über TCO-Päpste lachen
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/11
Seit Jahren liegen uns die Experten mit ihren TCO-Modellen in den Ohren. Ein PC kostet dies, die Stunde Support jenes, und wenn 1000 Mitarbeiter pro Tag 5 Minuten länger warten müssen, weil ihr alter Computer so langsam ist, wird es besonders teuer.
Schön, dass wir jetzt alle wissen, dass Informatik viel Geld kostet und wie man es richtig berechnet. Schön auch die gerne zitierten Grafiken der TCO-Päpste von Gartner, mit denen man heute dies und morgen das Gegenteil belegen kann. Doch warum von den vielen vielleicht einzusparenden Prozenten träumen, wenn sich die Theorie von der idealen Informatik nur in den wenigsten Fällen in die Praxis umsetzen lässt?
Gewisse aus den TCO-Überlegungen abgeleitete Regeln können in bestimmten IT-Umgebungen erfolgreich angewendet werden. Aber nur, wenn diese Umgebungen dem im TCO-Modell verwendeten Ideal sehr nahe kommen. Dazu müssen einige Bedingungen erfüllt sein: zum Beispiel muss die IT-Umgebung sehr gross sein, weil Massnahmen hinsichtlich Standardisierung, Vereinfachung und elektronischer Abbildung von Prozessen finanziell unrentabel oder nicht umsetzbar sind, wenn die Auswirkungen nicht auf eine grosse Anzahl Arbeitsplätze umgelegt werden.
In der Schweiz gibt es rund 300'000 Firmen. Davon haben 0,5% mehr als 1000 Arbeitsplätze. Nehmen wir an, 1000 sei die magische Grenze, oberhalb der sich TCO-Experten mit Freuden tummeln können, dann ist TCO für die restlichen 99,5% nicht mehr als warme Luft. Um wirklich Kosten in der Informatik sparen zu können, muss man schon praktischer veranlagt sein und die wichtigsten «Dos» und «Don'ts» der Informatik kennen. Diese haben mit hochfliegender TCO-Theorie wenig zu tun, sondern sind viel bodenständiger. Die Schwierigkeit liegt darin, sie im Spannungsfeld zwischen Zeit, Geld, Qualität und Politik einer Firma anzuwenden.
Zu den Dos gehört zum Beispiel der Glaube an das «Gute» in der Informatik, welche die Kernprozesse des Unternehmens im Idealfall optimal zu unterstützten vermag. Mehr denn je braucht es aber auch Menschen mit Visionen: Die Chefin eines KMU und ihr IT-Leiter müssen eine klare Vorstellung davon entwickeln, was Informationstechnologien in ihrem Betrieb zu leisten in der Lage wären. Diese Visionen gilt es dann Schritt für Schritt und nach allen Regeln der Kunst mittel- bis langfristig umzusetzen.
Zu den Don'ts zählt meiner Meinung nach die Glorifizierung der Informatik. Der Grund des Übels liegt im boomhaften Aufschwung einer jungen Disziplin in den 80er und 90er Jahren. Abgesehen vom Umsatz und einigen Lernprozessen im Sinne der Erfahrungskurve hat uns dieses übersteigerte Selbstverständnis nichts Gutes gebracht, im Gegenteil: Es hindert uns nach wie vor an einer vernünftigen, rationalen Bewertung dessen, was die Informatik wirklich ist: ein Handwerk.
Und wie lassen sich nun bei korrekter Anwendung der Dos und Don'ts Kosten in der Informatik sparen? Zum einen durch Prozessoptimierungen. Zum andern aber auch durch eine Neuverteilung des Verhältnisses zwischen Anschaffungs- und Unterhaltskosten, die in der Regel 30 beziehungsweise 70 Prozent der IT-Gesamtkosten ausmachen. Wer geschickter in neue Produkte investiert und nicht das offensichtlich Günstigste kauft, sondern schon bei der Anschaffung auf einen optimalen Gesamtprozess achtet, spart bei den Unterhaltskosten. Daraus ergibt sich eine Hebelwirkung, die bei korrekter Anwendung zu tieferen Gesamtkosten führt. So steht es übrigens auch im klassischen TCO-Modell geschrieben. Und das scheint mir die einzige für KMU brauchbare Erkenntnis zu sein, die das TCO-Modell hergibt.