ERP auslagern – ja oder nein?


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/10

     

Ein ERP-System zu kaufen, es zu installieren und zu betreiben ist nicht wirklich etwas, wofür sich die Herzen der Informatikleiter erwärmen lassen. Es gibt genügend Horrorgeschichten von Firmen, die mit der Wahl des ERP-Anbieters und des Systemintegrators derart daneben gegriffen haben, dass die Firma fast in den Konkurs getrieben wurde. Es gibt auch genügend Geschichten über allerlei Abzockereien – teure Berater, die irgendwelche Anpassungen am System vornehmen, die der Kunde gar nicht braucht.


Kunden sind erfahrener

Nach dem grossen ERP-Hype der vergangenen Jahre werden heute solche Geschichten weniger häufig erzählt. Mittlerweile haben fast alle grösseren Firmen, aber auch KMU und Behörden eine Standardbetriebssoftware im Einsatz und haben entsprechend ihre Erfahrungen gesammelt. So schnell lassen sie sich nicht mehr über den Tisch ziehen. Die sich nur langsam erholende Wirtschaft, der Glaube, sich auf die Konzernkompetenzen konzentrieren zu müssen, und die Ungläubigkeit gegenüber den Weissagungen der IT-Gurus haben ein Klima geschaffen, das Outsourcing-freundlich ist. Andererseits gibt es viele CIO in vor allem grossen Firmen, die fest daran glauben, dass ERP zum Kern eines Unternehmens gehört, der nicht einfach an einen Partner übergeben werden kann.


Auslagern? Ja, bitte!

Der grösste Vorteil eines Outsourcings besteht darin, dass die Unternehmen sich befreien von der täglichen Sisyphusarbeit am ERP-System. Und somit mehr Zeit haben, das Unternehmen in eine erfolgversprechende Zukunft zu führen. Meistens geht einem Outsourcing eine Umkrempelung oder Neudefinition der Unternehmensstrukturen voraus. Man will beispielsweise in neue Bereiche vorstossen, hat aber die entsprechenden IT-Mittel nicht dazu. Der IT-Chef geht über die Bücher, rechnet aus, wieviel ihn neue Server und Lizenzen zu stehen kommen, macht Überlegungen über die Zahl der IT-Leute, die er für den Job einstellen müsste – und kommt nicht selten zum Schluss, dass ein Alleingang das höhere betriebswirtschaftliche Risiko darstellt als ein Outsourcing.


Mehr Flexibilität

Bei einer Expansion in ein neues Geschäftsfeld weiss er zum Beispiel nicht, ob der Vorstoss von Erfolg gekrönt sein wird oder nicht. Also muss er immer damit rechnen, dass das Unternehmen plötzlich auf einer neuen, kaum gebrauchten Infrastruktur sitzenbleibt. Gerade bei mittleren Firmen ist das Problem, dass sie nicht attraktiv genug sind für Spitzenleute, die es braucht, um die Betriebssoftware einem sich ständig ändernden Markt schnell anpassen zu können.
Häufig scheitern ERP-Outsourcing-Vorhaben am erfolgreichen politischen Lobbying der IT-Abteilungen. Es ist deshalb häufig die Auswechslung entscheidender Posten im IT-Management vonnöten, um die Widerstände zu eliminieren. So geschehen etwa bei Zurich Financial Services und der Credit Suisse, die nach Umstrukturierungen im Management sich für ein Outsourcing beziehungsweise Offshoring der ERP-Umgebungen (SAP bzw. Peoplesoft) entschieden haben.


Auslagern? Nein, danke!

Der grösste Nachteil des Auslagerns besteht im Kontrollverlust über die im Unternehmen täglich anfallenden und generierten Betriebsdaten. Das Risiko eines Ausfalls der Betriebszeit – in vielen Fällen mit desaströsen Folgen – sowie eines Datenverlusts in fremde Hände zu geben, will sehr gut abgewogen sein.
Für vielen Firmen steht deshalb ausser Frage: Dieses Risiko wollen sie nicht eingehen. Meistens sind es stark technologiegetriebene Unternehmen, die naturgemäss eine hohe Kompetenz in IT-Fragen aufweisen und um den Betrieb eines Datencenters nicht umhinkönnen.


Knackpunkt Vertrag

Wichtig sind auch rechtliche Aspekte: Unter den Outsourcing-Gegnern finden sich nicht wenige Firmen, die schlechte Erfahrungen gemacht haben mit ihrem Auslagerungspartnern. Sei es, weil sie sich zu lange an ihn gebunden haben – 10 Jahre etwa. Und ohne Flexibilisierungskomponenten eingebaut zu haben. Je flexibler das Vertragswerk beschrieben ist, desto kompliziertes ist es und desto mehr Spielraum wird geschaffen im Streitfall. Wer also keine Lust hat auf langwierige Vertragsverhandlungen und hohe Anwalts- und Beraterkosten, der sollte die Finger von einem Outsourcing lassen.




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