ERP-Auslagerung: Für viele ist der Zeitpunkt günstig


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/10

     

Sinkende Margen, knallharter Konkurrenzkampf – die Business-Software-Anbieter sind nicht zu beneiden. Zwar haben die meisten Auftraggeber ihre Projektladehemmungen überwunden und investieren wieder stärker in Infrastruktur und Projekte, doch sie schauen viel genauer aufs Geld. Das heisst: Die Margen sind im Keller. Darunter leiden die Systemintegratoren, die mit ERP-Software in den letzten Jahren sehr viel Geld verdient haben. Unter Druck müssen sie kreativer werden. Sie sind gezwungen, noch kostengünstiger anbieten zu können, sich vertiefte Branchenkompetenz zu erwerben, sich neue Kundenschichten zu erschliessen (etwa KMU) oder das Angebotsspektrum in eine Richtung zu erweitern, in die der Branchentrend läuft. In letztere Kategorie fallen Outsourcing-Dienste, die derzeit sehr stark gefragt sind und deshalb von den Systemintegratoren entsprechend forciert werden.


Hersteller als Hoster

So zum Beispiel hierzulande von der SAP SI, die im vergangenen Jahr die Schweizer SAP-Spezialisten SLI Consulting übernommen hat und seit diesem Jahr vollständig vom SAP-Konzern kontrolliert wird. Im ersten Geschäftsquartal des laufenden Jahres erzielte das schwergewichtig in der Schweiz und in Deutschland aktive Unternehmen im Bereich Hosting/Application Management ein Wachstum von 29,7% auf 10 Mio. Euro gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Damit liegt das Wachstum dieser Sparte deutlich über dem Konzernzuwachs, der in der gleichen Periode 17,1% betrug. Kommt hinzu, dass das Managed-Services-Geschäft sehr einträglich ist: Im Fall der SAP SI steuert es bereits einen Drittel zum Konzerngewinn bei.




SAP SI ist nicht die einzige Firma, die mit Hosting-Angeboten im ERP-Umfeld ein lukratives neues Geschäftsfeld erschlossen hat. Aktiv in diesem Segment sind auch die grossen IT-Outsourcing-Firmen wie IBM, Accenture, HP, EDS, CSC oder Capgemini (siehe Tabelle). Für letztere etwa, die Produktkompetenz im Bereich SAP und Peoplesoft aufweist, ist es weniger eine Frage, ob «ERP ausgelagert werden soll, sondern wann», wie es in einer Studie des Unternehmens heisst.
Der Hauptgrund dafür sieht die Capgemini bei den in die Jahre gekommenen Applikationen, die in den meisten Betrieben im Einsatz stehen. Das sind Anwendungsversionen, die während des grossen ERP-Hypes Mitte bis Ende der 90er Jahren unter Vergiessen von viel Blut und Schweiss in den Firmen eingebaut wurden. Diese Versionen werden je länger je weniger von ERP-Lieferanten unterstützt, so dass die Firmen gezwungen werden, auf einen neuen Release zu wechseln oder das Produkt eines anderen Herstellers einzubauen.




Die grössten ERP-Outsourcer und ihre Services in der Schweiz


Veraltete ERP im Einsatz

«Viele Unternehmen haben leider veraltete ERP-Versionen im Einsatz», sagt Brian Zrimsek, Marktanalytiker bei Gartner. Gemäss einer von ihm mitverfassten ERP-Studie arbeiten 50% bis 75% aller Firmen in den USA mit älteren Versionen als der aktuellen ihres Anbieters. «Für diese Firmen wird es nach 2005 immer brenzliger, noch genügend Support von ihren Lieferanten zu erhalten.» Laut Gartner arbeiten noch 52% mit älteren R/3-Versionen als Release 4.6. Sie müssen also, wenn sie es noch nicht getan haben, auf Version 4.6C oder auf R/3 Enterprise wechseln.





Laut SAP-Marketing-Chef Hansruedi Kuster werden die Versionen älter als 4.6c noch bis zum Jahr 2009 unterstützt. Noch aber arbeiten 41% der rund 1000 SAP-Kunden in der Schweiz mit Versionen, die älter sind als 4.6c – eine «beträchtliche Zahl», so Kuster. Ein Wechsel ist in jedem Fall mit erheblichen Kosten verbunden. Laut einer Untersuchung von ARM Research verschlingt ein ERP-Upgrade im Schnitt 1,5 Mio. Dollar und ist nicht selten teurer als die ursprünglichen Projektkosten. Deshalb erstaunt es nicht, dass bei nur gerade 13% der 150 untersuchten Unternehmen der Umstieg sich auch gerechnet hat. Bei allen anderen waren die Kosten höher als die Einsparungen.


Keine Ahnung, was es kostet

Das muss all jenen IT-Chefs zu denken geben, die solche Berechnungen überhaupt nicht anstellen – oder dazu schlicht nicht in der Lage sind. Der Auftrag des obersten Managements an die IT aber lautet häufig: runter mit den Betriebskosten, Wettbewerbsposition verbessern und Produktivitätsgewinne messbar machen. Statt dessen verliert sich die IT-Abteilung in einem wild wuchernden Dschungel von immer komplexeren Applikations- und Datenkonstrukten, die im Schuss zu halten, sehr viel Geld verschlingen. Ein IDC-Report (Management Services Forecast and Analysis 2003 – 2007) bringt die Situation nüchtern auf den Punkt: «Viele Firmen wissen nicht, wieviel ihr ERP-System im Unterhalt kostet. Wenn nun die Budgets knapper werden, schauen sie sich nach Dienstleistern um, die ihnen die Bürde des internen Applikationsmanagements abnehmen.»


Zweistelliges Sparpotential

«Outsourcing kann die Gesamtkosten einer ERP-Umgebung um 10% bis 30% senken», sagt Ben Franklin von Capgemini. Es gehe darum, eine Strategie zu entwickeln, die über den gesamten Produktzyklus die Total Cost of Ownership senkt, und nicht primär um kurzfristige Einsparungen.
Neben dem Upgrade-Druck, dem die Anwender mit alten ERP-Versionen ausgesetzt sind, gibt es auch einen langfristigen Trend, der das Outsourcing begünstigt. Gemeint ist die Tatsache, dass ERP-Software mittlerweile ein omnipräsentes Werkzeug geworden ist. Auch ist der Markt reifer geworden: Die grossen Player sorgen mit ihrer Marktmacht für eine Ausdünnung der Anbieter, indem sie kleinere Firmen fleissig aufkaufen. Was dazu führt, dass immer mehr Firmen mit den exakt gleichen Produkten ihre Unternehmensprozesse steuern. Somit wird es zu einer Unmöglichkeit, sich über das gewählte ERP-System zu differenzieren und Wettbewerbsvorteile herauszuschinden.




Verständlicherweise entwickeln Anwender deshalb einen zunehmend verengten Blick auf die Kosten; sie schauen nur noch darauf, wieviel sie die ERP-Lösung Jahr für Jahr kostet. Was liegt also näher, als die Betriebssoftware als gesamten Block bei einem Outsourcing-Partner auszulagern? Und was kostet es? Gartner-Analytiker Robert Anderson hat eine Zahl parat: «Die Gebühr für den Bezug einer ERP-Applikation über eine sichere Internetverbindung beträgt pro Arbeitsplatz zwischen 300 und 1000 Dollar.»




Total Cost of Ownership bei einem Release-Wechsel des ERP-Systems




Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Wieviele Fliegen erledigte das tapfere Schneiderlein auf einen Streich?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER