Editorial

Die verborgenen Kosten der elektronischen Post


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/12

     

Jeder von uns erhält im Büro täglich E-Mails. Im besten Fall dürften es zehn bis dreissig sein, im schlimmeren hundert oder mehr – die unseriöse Spam-Post und Malware nicht hinzugezählt. Zu den reinen Textbotschaften gesellen sich häufig Anhänge: PDFs, Word-Dokumente mit Markups, Zip-Archive mit unzähligen Dateien, Excel-Sheets mit mehreren Arbeitsblättern, die nie so richtig zu Papier gebracht werden können. Sie machen das tägliche Ausdrucken und aufwendige Ablegen der E-Mails zur besonderen Freude. Als wäre das nicht genug, sorgt die Konfiguration und unaufmerksame Bedienung der E-Mail-Programme noch dafür, dass beispielsweise von mir versandte Anhänge häufig an den E-Mails hängenbleiben, wenn die Empfänger antworten. Die Internetverbindungen und Mail-Server von heute mögen damit ja noch zurechtkommen, doch wenn es um das Ausdrucken und eigenhändige Aussortieren solcher Mails geht, kumuliert sich der Aufwand unnötigerweise.




Nun bräuchte ich mich ja an sich nicht um diese Dinge zu kümmern, da mein Sekretariat dies tut. Doch damit wird das Problem nur delegiert. Die Kosten entstehen trotzdem. Weil der Versand von E-Mails so einfach ist, fallen zudem heute sehr viel mehr E-Mails an, als früher traditionelle Korrespondenz verfasst wurde.
Nun wäre die auf den ersten Blick einfachste Lösung, E-Mails nach dem Lesen gleich wieder zu löschen. Für die elektronische Verabredung zum Mittagessen ist das nach der Eintragung im Kalender sicherlich angebracht. Für geschäftlich relevante Mails ist dies allerdings verboten: Hier verlangt das Gesetz (z.B. Art. 957 ff. OR) von jeder Firma, die sich ins Handelsregister eintragen muss, dass sie ihre Geschäftskorrespondenz während zehn Jahren vor Verlust, Manipulation und unberechtigtem Zugriff geschützt konserviert. Auch die Mehrwertsteuer verlangt die Aufbewahrung. Zunehmen wird der Druck ebenso von den Revisionsgesellschaften, wenn sie realisieren, dass sie nebst der eigentlichen Buchhaltung auch diesen Punkt prüfen müssen.





Die Aufbewahrung von Geschäfts-E-Mails im Mail-Server oder auf Backup-Tapes genügt dabei nicht. Wird kein unveränderbarer Informationsträger wie Papier oder eine CD-R eingesetzt, ist der Einsatz anderer Verfahren wie etwa digitale Signaturen und Zeitstempel unumgänglich. Zwar gibt es bereits verschiedene Möglichkeiten, mit denen sich diese Anforderungen erfüllen lassen, doch sind diese mit Investitionen verbunden und erfordern oft eine Anpassung der Prozesse. Auch lösen sie das Problem des manuellen Aussortierens häufig nicht. Nach meiner Erfahrung sind die IT-Systeme der Mehrheit der Unternehmen nicht in der Lage, den Anforderungen an die gesetzeskonforme Aufbewahrung zu genügen. Wie lange das simple Ausdrucken ausreichen wird, ist unklar: So macht ein Ausdruck von Excel-Tabellen, wenn wichtige Daten verborgen bleiben, punkto Konservierung wenig Sinn. Hinzu kommt, dass angesichts der wachsenden
Datenmenge irgendwann nur noch eine elektronische Archivierung ein genügend rasches Auffinden sicherstellen kann.




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