Editorial

Die interne IT-Abteilung – ein Auslaufmodell?


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/10

     

Vor kurzem präsentierte eine Managementberatungsfirma eine neue Schweizer Studie über die wachsende Beliebtheit
eines noch jungen Organisationsmodells für die IT-Leistungserbringung: Die verselbständigte IT-Organisationseinheit. Das «IT Shared Service Center», wie es Arthur D. Little nannte, steht typischerweise im Eigentum einer oder mehrerer Kundenfirmen und grenzt sich damit gegenüber dem klassischen IT-Outsourcing an einen dritten Service-Provider ab. Gemäss der Studie setzt schon jedes zweite der befragten Unternehmen ein IT Shared Service Center ein.




Soweit so gut. Was mich etwas irritierte war die Art und Weise, wie in der nachfolgenden Publikumsdiskussion über das klassische Modell der Leistungserbringung, die «interne IT-Abteilung», gesprochen wurde. Der Begriff der internen IT-Abteilung scheint in der Schweizer IT-Landschaft beinahe schon zum Schimpfwort verkommen zu sein. Zwar ist sie bei 80 Prozent der Betriebe noch zu finden, doch die Voten machten den Eindruck, dass das Konzept in der heutigen Zeit definitiv ausgedient hat.





Ich glaube allerdings nicht, dass dies zutrifft, weil hier zwei Dinge verwechselt werden. Warum ist die Auslagerung der Informatik in ein Shared Service Center oder zu einem externen Provider so populär? Tiefere Kosten, darüber sind die meisten einig, dürfen von einem Outsourcing nicht erwartet werden. Natürlich gibt es noch andere Motive wie etwa die Hoffnung auf mehr Flexibilität oder eine höhere Service-Qualität. Der wichtigste (wahre) Grund scheint mir aber banaler zu sein: Eine Auslagerung der IT wohin auch immer wird oftmals als bequeme und einfache Gelegenheit zum Radikalschnitt betrachtet. Sie gilt als Chance zum Aufbrechen verkrusteter Strukturen und zum Abwerfen von Balast aus «äusserem Anlass» im Gegensatz zum schmerzlichen und mühsamen Prozess einer Reorganisation in den eigenen Reihen. Dass auch eine Auslagerung den Erfolg der Umstrukturierung keineswegs garantiert, zeigt sich oft erst Jahre später.




So gesehen scheint die Frage nach dem Organisationsmodell der IT-Leistungserbringung als zweitrangig. Viel wesentlicher wäre da die
Frage nach dem wirkungsvollsten Führungsmodell in der Informatik. Auch hier zeichnet sich ein Trend ab: Dem internen IT-Anbieter wird die
Finanzverantwortung für seinen Bereich übertragen, was wiederum voraussetzt, dass er seine Leistungen als Produkte inklusive Service-Levels vereinbaren und verursachergerecht verrechnen kann. So werden der CIO zum CEO der IT-Abteilung und die Leistungsbezüger zu Kunden. Mit den genannten Organisationsmodellen hat das aber nur beschränkt etwas zu tun, den genauso wie ein Outsourcing an einen Dritten auch
ohne Stückpreisverrechnung und klare SLAs möglich ist und hierzulande erstaunlich oft
praktiziert wird, kann die traditionelle interne
IT-Abteilung als Profit-Center betrieben werden.





Die Diskussion um neue Modelle der (äusseren) Organisation, so meine Erfahrung, wird oft dort geführt, wo es am Vertrauen in das eigene IT-Management mangelt, wo der Umbau von innen heraus aus anderen Gründen nicht zu bewerkstelligen scheint oder aber die kurz- und mittelfristigen Ziele zu hoch gesteckt sind. So ist es zwar sinnvoll, wenn die eigene IT für ihr Finanzergebnis selbst verantwortlich ist und daher nach Effizienz strebt. Doch so schlecht wie ein hoher Verlust ist auch ein zu hoher Gewinn. Die interne Kundschaft wird sich nicht nur ärgern, sondern über kurz oder lang einen Anbieter suchen, der knapper kalkuliert und tiefere Preise anbietet, was wiederum die Stückkosten des eigenen IT-Anbieters in die Höhe treibt und die Übung scheitern lässt. Oder aber der hohe Gewinn ist das Ergebnis fehlenden Wettbewerbs und nicht hoher Effizienz. Beginnt die verselbständigte
IT-Abteilung schliesslich, sich auch um externe Abnehmer zu kümmern, droht der Kunde im
eigenen Hause vernachlässigt zu werden und
daher allmählich wieder seine eigene IT-Abteilung aufzubauen. Damit würde sich der Kreis wieder schliessen so im übrigen auch in der Präsentation der Managementberater von Arthur D. Little.




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