Editorial

E-Government und der Kantönligeist

Den E-Government-Projekten jeglichen Fortschritt abzusprechen, wäre ein wenig vermessen. Das eine oder andere Vorhaben wurde vorangetrieben oder sogar realisiert.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/20

     

Der Begriff E-Government ist ein Kind jener Zeit, als so mancher über die schöne neue Welt des Internet fabulierte. Und es schien, als ob es nicht mehr lange dauern würde, bis man seinen Behördenkram wird über das Internet erledigen können. Dem ist aber, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, bei weitem nicht so. Bereits im letzten Jahr hatte sich deutlich abgezeichnet, dass die einst ehrgeizig gesetzten Ziele nicht eingehalten werden können. Die E-Government-Pläne gerieten in den Strudel der strauchelnden New Economy, Swisskey, ein wichtiges Puzzleteil, machte den Laden dicht, und man begann, sich die Augen zu reiben. Daran hat sich bis heute nichts Grundsätzliches geändert - die Mühlen in der öffentlichen Hand mahlen bekanntlich gemächlich.



Obwohl, den E-Government-Projekten jeglichen Fortschritt abzusprechen, wäre doch ein wenig vermessen. Das eine oder andere Vorhaben wurde trotzdem vorangetrieben oder sogar realisiert. Da geriet beispielsweise kürzlich die Solothurner Gemeinde Rodersdorf in die Schlagzeilen mit ihrem ersten virtuellen Amtsschalter, und der Kanton St. Gallen bietet seinen Bürgern seit Beginn des Jahres an, die Steuererklärung am PC auszufüllen und über das Internet einzusenden.




Was es für die Behörden bedeutet, die modernen Technologien einzusetzen und dem Amtsschimmel den Garaus zu machen, zeigt unsere Fallstudie beim Zürcher Kantonsparlament eindrücklich. Da prallen altgestandene Lösungen mit der modernen Realität zusammen. Im privatwirtschaftlichen Umfeld würde man einfach sagen, man müsse die Geschäftsprozesse anpassen. In den Behörden ist das vielleicht ebenso schnell gesagt, umgesetzt aber nur langsam - wenn überhaupt. Und das, was in der Privatwirtschaft ein wichtiger Motor ist für den Fortschritt, fehlt beim E-Government gänzlich: Die Konkurrenzsituation. Hier droht kein Mitbewerber, der einen links überholen könnte, also kann man ruhig noch zuwarten.



Hinzu kommt ein weiteres schwerwiegendes Schweizer Hindernis: Der liebe Föderalismus. Ein Bund mit 26 Kantonen und 2880 Gemeinden bildet nicht gerade die ideale Voraussetzung für schnelles Vorankommen. Und hier kann man nur hoffen, dass die Nation trotz allverbindendem Internet nicht in 2880 E-Government-Inseln zerfällt. Damit es nicht soweit kommt, wird auf Bundesebene viel koordiniert und fleissig an Papiertigern gebastelt. Vorerst wird nun das Mitte Juni stattfindende Symposium zum Thema E-Goverment weiter über die digitale Lage der Nation aufklären. In Biel werden laufende E-Government-Projekte vorgestellt, Strategien und Standards diskutiert. Trotzdem bleibt es noch ein weiter Weg, bis jede Schweizer Gemeinde einen virtuellen Amtsschalter unterhalten wird. Sicher wird früher oder später jeder, der will, seine Behördengänge über den PC abwickeln können - in diesem Fall wird es aber eher später als früher sein.













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