Jedem Chef sein eigener Stil

Nicht jedes Führungsverhalten funktioniert in jeder Situation.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/12

     

In der letzten InfoWeek-Ausgabe (11/2002) haben wir aufgezeigt, welche Qualitäten es braucht, um als Chef - besonders wenn es sich um den ersten Führungsjob handelt - erfolgreich zu sein. Dabei spielt der eigene (Führungs-)Stil eine wichtige Rolle. Hans Meli, CEO von Namics: "Das grösste Problem bei meinem ersten Führungsjob war mein Versuch, die fehlende Erfahrung durch Künstlichkeit zu ersetzen, statt einfach mich selbst - und damit echt - zu sein".



Man könnte sagen, dass es genauso viele Führungsstile gibt wie Führungskräfte, denn nicht in jeder Situation kann die gleiche Führungsstrategie angewendet werden. Einfach gesagt - aber wenig hilfreich - nicht jedes Führungsverhalten funktioniert in jeder Situation. Ein Blick in die Management-Literatur zeigt fünf Grundmodelle:





Autoritärer Führungsstil: Der Vorgesetzte trifft alleine sämtliche Entscheidungen; strenges Regiment von Befehl und Gehorsam; Mitarbeiter sind unselbstständige, ausführende Organe.




Patriarchalischer Führungsstil: Die Entscheidungsgewalt liegt beim Chef; fürsorglich-väterliches Regiment; die Mitarbeiter sollen Entscheide nachvollziehen können; Widerspruch und Mitarbeiterideen sind unerwünscht.




Kooperativer Führungsstil: Entscheidungen werden unter Berücksichtigung von Vorschlägen und Einwänden der Mitarbeiter getroffen; Problemlösungen werden gemeinsam erarbeitet; vom Mitarbeiter fordert dies mehr Selbständigkeit und Eigenverantwortung, von der Führungskraft eine höhere soziale Kompetenz.




Partizipativer Führungsstil: Einfluss auf Entscheidungen noch stärker beim Mitarbeiter, die Lösungsvorschläge erarbeiten und diese mit dem Vorgesetzten diskutieren; das Wort des Chefs besitzt starkes Gewicht, er wird aber bemüht sein, einen Konsens herbeizuführen; Eigeninitiative und Selbstverantwortung von Mitarbeitern unerlässlich; hierarchische Unterordnung im Hintergrund.




Permissiver Führungsstil (Laisser-fair-Stil): Mitarbeiter entscheiden selbstständig; Führungskraft präsentiert Lösungsalternativen und koordiniert das Team, verzichtet aber auf eindeutige Richtungsvorgaben; Hierarchie gänzlich ausser Kraft.



Heute ist der kooperative oder der partizipative Führungsstil angesagt. Aber Achtung: Kooperativ Führen kann man nur Mitarbeiter, die sich auch in dieser Art führen lassen wollen - ansonsten kann diese Offenheit als Schwäche ausgelegt werden (der Chef weiss nicht, was er will).


Motivation braucht's

Damit der moderne kooperative Führungsstil in der Praxis auch funktioniert, sind motivierte Mitarbeiter unabdingbar. Lorenz Weber, Geschäftsführer PCP.CH Weber: "Zu Beginn jedes Startups ist die eigene Motivation am stärksten. Für die Gründer hat die neue Firma höchste Priorität. Diese erhöhte Energie sollte auch auf die Arbeitnehmer übertragen werden. Wenn nicht alle am gleichen Strick ziehen, erreicht man keine Einigkeit und damit auch keine eindeutige Entwicklungsrichtung. Diese Aufgabe, den Einbezug der Mitarbeiter in die rasante Entwicklungsgeschwindigkeit, ist schwierig umzusetzen."



Motivation kann nur dann funktionieren, wenn die gebotenen Anreize tatsächlich den primären Bedürfnissen der Mitarbeiter entsprechen. Materielle Überlegungen stehen dabei oft im Hintergrund, und Umfragen ergeben immer wieder, dass persönlicher Freiraum, Erfolgserlebnisse und eine als sinnvoll empfundene Tätigkeit an erster Stelle - weit vor finanziellen Überlegungen - stehen.




Wer in seiner Arbeit jedoch eine Quelle von persönlicher Befriedigung, Spass und Anerkennung sieht, ist eigentlich schon leistungsbereit, sprich motiviert. Das Erfolgsrezept liegt dann nicht in zusätzlichen Leistungsanreizen, sondern: Sie müssen nicht motivieren, es reicht völlig, wenn Sie nicht demotivieren!




Finger weg vom Führungsjob

Sozialprestige, hohes Gehalt und Statussymbole der Macht sind verlockend. Doch auch das tollste Gehalt verliert vor dem Hintergrund der Arbeitsbelastung seinen Glanz. Laut einer Forsa-Studie arbeitet fast die Hälfte aller deutschen Führungskräfte mehr als 60 Stunden pro Woche. Dazu kommen psychische Belastungen wie Isolation, Stress und Druck. Der Körper reagiert früher oder später darauf, ein Teufelskreis entsteht: Für Sport und Ausgleich ist am Anfang keine Zeit, mit Überarbeitung sinkt die Leistungsfähigkeit, was durch Mehrarbeit kompensiert werden muss. Der Vorstandsvorsitzende von Daimler Chrysler, Jürgen Schrempp: "Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts."



Deshalb sollte man sich überlegen, gerade bevor man seinen ersten Chef-Posten übernimmt, ob man auch reif dazu ist. Fachleute sind sich einig, dass man sich mangelndes Fachwissen oder fehlende Methodenkompetenz aneignen und trainieren kann. Kritisch wird es bei Persönlichkeitsmerkmalen und Interessen, die im Charakter fest verankert sind:





Grosses Fachinteresse: Wer Experte auf einem Gebiet ist und sein Fach liebt, fühlt sich am wohlsten, wenn er an konkreten Sachproblemen arbeiten kann, und sollte sich überlegen, ob er in einer Expertenlaufbahn nicht glücklicher wird.




Angst und Perfektionismus: Wer glaubt, alles selbst am besten zu können, entmündigt die Mitarbeiter und macht sie zu denkfaulen Befehlsempfängern. Wer nicht delegieren kann, verschwendet seine Zeit für Kleinigkeiten und verliert den Blick für das Ganze.




Wunsch nach Beständigkeit: Umstrukturierung und Wandel gehören zum Unternehmensalltag. Wer das nicht mit Gelassenheit und Flexibilität meistern kann, wird auch in einem nur durchschnittlich dynamischen Umfeld nicht glücklich.



Dass ein Job in der Chefetage unweigerlich Auswirkungen aufs Privatleben hat, ist allen bekannt und wird von Namics-Chef Hans Meli mit der schlichten Aussage bestätigt: "Ich bin praktisch geschieden."


Nicht vergessen: Das private Umfeld

Führungsexperten warnen davor, Freizeit und Familie zu einer "Restgrösse" werden zu lassen. Gutes Selbstmanagement liegt nicht nur in der straffen Durchorganisation des Tagesablaufs, sondern in einer harmonischen Entwicklung sämtlicher Lebensbereiche. Martin Altorfer, CEO Celeris, der mit 24 seinen ersten Führungsjob als Geschäftsleiter von Active-Net angetreten hat: "Ich habe glücklicherweise seit 8 Jahren die gleiche Freundin (ohne Unterbruch!). Das geht nur, wenn der Partner grosses Verständnis für die physische und psychische Belastung aufbringt."



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