Umzug für den IT-Job
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/13
Wer schon einige Jahre im Berufsleben ist, stand sicher schon einmal vor der Entscheidung, für eine bessere Stelle umzuziehen. Mobilität wird heutzutage auch stets in Stellenangeboten gefordert - zusammen mit Flexibilität und Belastbarkeit. Flexibilität und Mobilität bedeuten aber auch, sich den ändernden Bedingungen der heutigen Arbeitswelt, wie sie etwa durch neue Technologien, Arbeitszeit und Arbeitsort entstehen, anzupassen. Ein Berufseinsteiger wird schätzungsweise fünf- bis sechsmal in seinem Berufsleben den Job wechseln.
Mobilität ist quasi zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Der Begriff "Mobilität" muss im weitesten Sinne verstanden werden: Selbstverständlich muss sie geographisch, aber auch funktionell sein. In der gleichen Stadt oder gar im gleichen Land arbeiten zu wollen, deutet auf einen beschränkten Horizont im Zeitalter von weltweiter Kommunikation und Austausch hin. Eine Stelle ablehnen, weil man in einen anderen Kanton umziehen müsste, ist heute fast unmöglich. War vor einigen Jahren ein Auslandsaufenthalt im Lebenslauf noch ein entscheidender Karrierekick, ist die Denkweise in vielen Unternehmen schon so weit vorangeschritten, dass man ohne Mobilität so gut wie gar keine Aufstiegsmöglichkeiten mehr bekommt.
Auch hat sich der Anspruch an örtliche Flexibilität auf nahezu alle Bereiche und Branchen ausgebreitet. Umfrageergebnisse des deutschen Forschungsinstituts Emnid belegen, dass 61 Prozent der Top-Manager und mehr als die Hälfte der Beschäftigten im mittleren Management für einen neuen Job bereits einmal den Standort gewechselt haben.
Im Lebenslauf werden Jobwechsel und Auslandsaufenthalte meist sehr geschätzt. Christian Wüthrich, Manager PR von Jobpilot in Zürich, bestätigt: "Es wird begrüsst, wenn der Bewerber flexibel und mobil ist. Die heutige Globalisierung der Wirtschaft verlangt von den Berufsleuten eine gewisse Mobilität." Standortwechsel - auch über längere Zeit oder gar für immer - seien an der Tagesordnung. Auch bei einer späteren Jobsuche seien längere Auslandsaufenthalte ein wichtiges Asset und würden sich auf das Gehalt positiv auswirken.
Zum einen ermöglichen Jobwechsel und Auslandsaufenthalte, wertvolle und spannende Erfahrungen zu sammeln, Kontakte zu knüpfen und Freundschaften zu schliessen. Zum anderen registriert jeder Personalchef bei Bewerbungen Auslandsaufenthalte als Pluspunkt, sei es ein Arbeitsaufenthalt, ein Auslandspraktikum oder auch nur ein Sprachaufenthalt. Wer Mobilität verweigert, gilt hingegen schnell als träge und nicht karriereorientiert.
Seit Frühjahr 2001 lebt Alexander Stüger, CEO von Microsoft Schweiz, mit seiner Frau und seinen drei Kindern in der Schweiz. Der gebürtige Österreicher war früher Geschäftsführer von Microsoft Austria. "Die Voraussetzung für einen Umzug in ein anderes Land ist sicher die Unterstützung der Familie. In meinem Fall standen meine Frau und meine Kinder voll hinter meinem Entscheid." Auch er ist der Meinung, dass man in einem internationalen Unternehmen für Veränderungen offen sein muss. "Nur so bleibt man flexibel", weiss der Microsoft-Chef.
Nicht immer geht es bei der beruflichen Mobilität um die Verwirklichung der eigenen Karriere oder den Reiz, einmal an anderen, auch internationalen Standorten tätig zu werden. Oft sind es unattraktive oder gar keine Beschäftigungsmöglichkeiten im erlernten Beruf oder am derzeitigen Standort, die eine Art zwanghafte Mobilität erfordern. Das betrifft häufig Personen mit seltenen Berufen, die an ihrem Wohnort keinen Job finden.
Ein weiterer Grund für einen unfreiwilligen Standortwechsel ist der Umzug der Firma in eine andere Stadt. Wochenendheimfahrt und Wochenendbeziehungen sind die häufige Folge, und es gibt wenige, die diese Pendelei geniessen: Man tut es dem Arbeitsplatz zuliebe.
Eine Umfrage ergab, dass von 1000 Berufstätigen rund 700 ihren Wohnort theoretisch für die Karriere wechseln würden.
Doch die Realität sieht ein wenig anders aus: Vor allem dann, wenn man bereits eine Familie gegründet hat. Als Lebenskonzept hat sich die vieldiskutierte Mobilität also noch lange nicht durchgesetzt. Ein Umzug in eine fremde Stadt oder gar ein fremdes Land birgt unter Umständen böse Fallen: Wer Familie hat, tut sich mit einem Umzug naturgemäss schwer. Die Kinder müssen neu eingeschult, das Haus muss verkauft werden, manchmal muss die ganze Familie eine neue Sprache erlernen, und man muss sich an andere Mentalitäten, andere Kulturen, andere Arbeitsmethoden gewöhnen. In einer fremden Stadt ist auch der kontaktfreudigste Mensch im Privatleben erst mal auf sich gestellt. Dies wird vom Arbeitgeber gerne ausgenutzt, denn diese Arbeitskraft hat ja nichts, auf das sie sich am Abend oder Wochenende freut und ist daher eher mal zu Überstunden bereit.
Und wenn es schliesslich mit der neuen Stelle nicht klappt, sitzt man möglicherweise in einer Stadt mit schlechten Arbeitschancen. Ein neuer Umzug ist fällig.