Google kann Ihre Karriere gefährden
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2007/03
Von der Euphorie des Web 2.0 angesteckt, füttern heute immer mehr Nutzer die Kontaktnetzwerke, Internet-Businessclubs, virtuellen Visitenkarten, Bildarchive und Videoplattformen im Internet mit persönlichen Angaben und Bildern. Was viele dabei vergessen: Sind solche Daten erst einmal von den Suchdiensten erfasst, können sie einen lang verfolgen. Experten schätzen, dass allein bei Google Informationen von mehr als zwölf Milliarden Webseiten gespeichert sind.
Je sorgloser jemand mit seinen Daten umgeht, desto einfacher gestaltet sich das «Profiling». Das ist der Fachausdruck für das Wühlen in persönlichen Daten. Vermieter «profilen» ihre Mieter, Verkäufer ihre Kunden, Singles ihre Dates und immer öfter auch Personalverantwortliche ihre künftigen Mitarbeiter. Dabei sagt ihnen das Internet, wo und mit wem jemand zur Schule ging, für welche Vereine er sich engagierte, wer seine Freunde sind und was diese treiben. Da finden sich dann auch Jugendsünden, missglückte Projekte, die Rache eines verschmähten Liebhabers oder auch schlichte Verleumdungen. Denn das Internet hat ein längeres Gedächtnis, als manchen lieb ist.
Rita Baechler von Baechler-Barth in Zürich, heute auf Führungs-Coaching und Krisenmanagement fokussiert, vermittelte bis vor kurzem als eine der wenigen weiblichen Headhunterinnen Top-Kader für Schweizer Firmen. Sie weiss: «Das Web ist ein Riesenarchiv und eine Fundgrube für alle, die Detektiv spielen wollen. Insbesondere, weil alte Daten lange überleben. Gefährlich ist das vor allem für diejenigen, die bei der Jobsuche nicht ehrlich sind.»
Kein Wunder, dass Klaus Christians von der Personalberatung IIC in München kürzlich gegenüber der «Wirtschaftswoche» unumwunden zugab, dass seine Firma das Netz nutze, denn «in Lebensläufen wird heute viel mehr geschönt als noch vor zehn Jahren».
Von Microsoft ist bekannt, dass die Personalabteilung die Möglichkeiten moderner Datenbankrecherche ausgiebig nutzt, und General Electric lässt Kandidaten von externen Profis durchleuchten. Die Headhunter von Heidrick & Struggles sollen gar eine Fahndungsabteilung für Web-Profile unterhalten, die in wenigen Stunden ganze Dossiers über Zielpersonen erstellt.
Bei einer Befragung, die der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) unter mehr als 300 Personalberatern und Personalentscheidern durchführte, meinten 28 Prozent, dass sie regelmässig via Internet Lebensläufe von Kandidaten auf Schwachstellen abklopfen. Im Web gesucht und ausgewertet werden dafür Referenzen, Bemerkungen über fachliche Eignung, Vergangenheit und Kompetenzen, aber auch Meinungsäusserungen und Freizeitaktivitäten der Betroffenen. Unterschlagene Arbeitgeber, unrühmliche Abschiede und phantasievolle Versionen des Lebenslaufs werden so schnell entlarvt. Laut der Studie flogen in 34 Prozent aller Fälle Kandidaten aufgrund von Online-Recherchen aus dem Rennen.
Natürlich wird eine Putzfrau oder ein kaufmännischer Angestellter nicht so gründlich überprüft wie die Kandidaten für hochdotierte Posten. Aber bekannt ist der Fall einer amerikanischen Lehrerin, die lange keine Stelle fand, weil sie von ihrem Arbeitgeber entlassen worden war: Das Sitzungsprotokoll der Schulleitung stand im Internet.
Was das Web in solchen Fällen gefährlich macht ist, dass alte Einträge noch lange zu finden sind. Im Google-Cache etwa konserviert die Suchmaschine jede Webseite in der Form, in der sie zuletzt erfasst wurde. Noch weiter zurück reicht das amerikanische Internetarchiv «Wayback Machine», das seit 1996 regelmässig grosse Teile des Web abspeichert und häufig von US-Anwälten genutzt wird.
Selbst Google-Chef Eric Schmidt war vor Internet-Recherchen nicht sicher. Reporter vom Online-Dienst Cnet hatten dessen Suchmaschine unlängst für Recherchen über sein Privatleben genutzt. Dabei stiessen sie nicht nur auf Details über Schmidts Vermögensverhältnisse, Hobbies und Wohnort, sondern fanden auch heraus, dass er einst an einem freizügigen Hippiefest in der Wüste von Nevada teilgenommen hatte. Der oberste Google-Boss war so verstimmt, dass er ein Interviewverbot verhängte. Mit dem Ergebnis, dass die Geschichte erst recht publik gemacht wurde.
Bewerber sollten möglichst genau darüber Bescheid wissen, was über sie im Netz zu finden ist. Als erstes raten die Fachleute, mit dem eigenen Namen zu googeln. Unliebsame Einträge loszuwerden, ist allerdings nicht so einfach. Die Suchmaschinenbetreiber stellen sich auf den Standpunkt, dass sie das gar nicht könnten, sondern die Betreiber der entsprechenden Site dafür zuständig seien. Wer versucht, die Löschung von Einträgen durchzusetzen, zieht womöglich weiteres Ungemach auf sich. So erging es dem Steuerberater Mark Maughan aus Los Angeles. Als er sein Web-Profil überprüfte, fand er einen Eintrag der kalifornischen Steuerbehörde, in dem stand, dass er eine Rüge erhalten habe. Maughan zog Google, Yahoo, AOL und Time Warner vor Gericht, weil diese mit den Listeneinträgen seinen Ruf geschädigt hätten. Natürlich hatte Maughan in dem Prozess keine Chance. Dafür berichteten seither nicht weniger als 400 Webseiten über seinen Fall, natürlich mit Namensnennung.
Oft reicht schon ein Auftritt bei einer Konferenz, um Titel und Kurzlebenslauf im Netz zu plazieren. Ein Artikel aus der Mitarbeiterzeitung machen die Abteilung, wo jemand arbeitet und sein Spezialgebiet öffentlich. Ein Foto von einem Treffen lässt die Teilnehmer als wackere Trinker und Partygänger erscheinen. Obwohl solche Informationen meist ohne eigenes Zutun ins Netz kommen, können sie einen CV belasten und unglaubwürdig machen.
In den USA ist es in manchen Kreisen schon fast ein Statussymbol, nur spärlich im Netz vertre-
ten – «ungooglable» – zu sein. Baechler weist allerdings auf die Kehrseite solcher Vorsicht hin: «Wer nicht im Web zu finden ist, erscheint als No-Name, der nicht publiziert und nichts zu sagen hat.» Insbesondere für die meisten IT-Profis ist es kaum zweckmässig, im Web unsichtbar zu werden.
Es gilt daher, mit den richtigen Einträgen zu erscheinen. So gibt es Strategien, um auf neue, kontrollierte Diskussionsbeiträge zu verweisen und mit eigenen Blogs schädliche Einträge von der Spitze der Trefferlisten zu verdrängen. Wer diesen Aufwand scheut, mag sich mit Baechlers Hinweis beruhigen, dass googeln hierzulande noch nicht die gleiche Bedeutung habe wie in den USA: «Die Schweiz ist klein und entsprechend transparent. Hier hat jeder schon mit jedem zu tun gehabt. Da ist es meist einfacher, Infos bei Bekannten oder militärischen Vorgesetzten einzuholen. Zumindest, solange es sich nicht um internationale Bewerbungen handelt.»