Editorial

Der Irrglaube an die Allmacht der KPI


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2007/03

     

400 PS mögen für den einen die Erfüllung eines Bubentraumes darstellen, für den anderen sind sie aus ökologischer Sicht eher ein Albtraum; um ein Formel-1 Rennen zu gewinnen, sind es schlicht zu wenige. Wie auch immer, die PS-Zahl eines Motors ist vorerst eine Eigenschaft und damit ein Hinweis auf sein Potential. Die Beschleunigungszeit, der Benzinverbrauch oder Rundenzeiten sind demgegenüber Leistungsindikatoren, die beispielsweise auch das Gewicht, die Aerodynamik oder die Fitness des Fahres mitberücksichtigen. Welche dieser Indikatoren im Einzelfall relevant sind, hängt ganz von den jeweiligen Prioritäten ab. So kann auch bei einem Formel-1-Boliden der Benzinverbrauch wichtig werden, da er über die Anzahl der während des Rennens nötigen Boxenstopps mitentscheidet.




Wie im Motorsport werden auch in KMU immer mehr Leistungsindikatoren in Form von sogenannten Key Performance Indicators (KPI) erfasst und zur Steuerung des Unternehmens herangezogen. Dem Management geben die zu grafischen Darstellungen verdichteten Werte Sicherheit, auf dem richtigen Weg zu sein. Bloss ist dieses Sicherheitsgefühl trügerisch. Falsch gesetzte oder unsinnig zusammengefasste Messwerte können wichtige Entscheidungen verzögern oder sogar verhindern.





In der Theorie ist ein KPI eine betriebswirtschaftliche Kennzahl, die mehrmalig messbar, unternehmensübergreifend vergleichbar und durch die Verantwortlichen beeinflussbar ist. Mit ihrer Hilfe können der Fortschritt oder der Erfüllungsgrad von Zielsetzungen und von Erfolgsfaktoren innerhalb einer Organisation ermittelt werden. Visualisiert werden KPIs heute oft durch sogenannte Cockpits oder Dashboards, die einen schnellen Überblick ermöglichen.




Soll dieser Überblick aber die Entwicklung des Unternehmens sinnvoll wiedergeben, ist eine sorgfältige Identifikation, Vereinbarung, Messung und Kontrolle der KPI unabdingbar. In der Praxis führt ein unverhältnismässiger Aufwand für die Ermittlung oder eine nicht transparente Verdichtung komplexer Einzelwerte oft dazu, dass KPI als «akademische Übung» scheitern. So kann beispielsweise ein «Customer Satisfaction Index» kaum zur Steuerung der Kundenbeziehungen genutzt werden, wenn die Einflüsse von Leistungsqualität, Erwartungshaltung und Leistungswahrnehmung nicht klar getrennt erhoben werden. Die getroffenen Massnahmen setzen bei einer Vermischung dieser drei Faktoren fast zwangsläufig an der falschen Stelle an und bewirken keine Verbesserung. Im Gegenteil: Bis festgestellt wird, dass die negative Entwicklung aller KPI-gläubigen Massnahmen zum Trotz nicht umgekehrt werden konnte, ist wertvolle Zeit verstrichen.
Der Einsatz möglichst vieler, aus Checklisten herauskopierter Messgrössen, ein aufwendiges Controlling und der Glaube an dessen Wirksamkeit reichen darum schlicht nicht aus, denn der Erfolg von KPI ist weder von der Anzahl der Messwerte noch von den eingesetzten Tools oder Methoden abhängig, sondern in erster Linie von ihrer intelligenten Anwendung.




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