Editorial

Das Ikea-Prinzip - jetzt auch bei Microsoft


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2007/02

     

«Das macht dann 299 Euro.» Die Dame am Telefon klang freundlich, aber bestimmt. Hatte ich mich verwählt, und war ich bei einer dieser berüchtigten Telefonnummern gelandet? Oder war alles nur ein schlechter Scherz? Weder noch, ich hatte lediglich ein kleines Problem bei der Datenbindung einer generischen Liste mit Visual Basic 2005 und mich wie früher vertrauensvoll an die Microsoft-Hotline gewandt.




Natürlich ging alles mit rechten Dingen zu, denn die Preise für diese Dienstleistung stehen auf der Microsoft-Webseite und sollten daher jedem Entwickler bekannt sein. Und natürlich gibt es kostengünstigere Alternativen für Entwickler, etwa im Rahmen der gerade für grössere Unternehmen attraktiven Open Subscription License 6.1, wo die Anzahl der erlaubten Support-Calls durch die Zahl der PCs geregelt wird. Oder etwa die MSDN-Subscription als «Add-on» zu Visual Studio 2005, bei der, je nach Art der Lizenz, zwei beziehungsweise vier «Support Incidents» pro Jahr frei sind – wobei mir leider nicht so ganz klar ist, wann ein Problem, das auf einem Bug basiert, als «Support Incident» zählt.





Ist die Anzahl der Freispiele abgelaufen, kostet jeder Anruf tatsächlich 449 Franken (1845 Franken im 5-er Paket) oder wie in meinem Fall als deutscher Kunde 299 Euro. Dabei ist noch anzumerken, dass es im Rahmen von Premium und Essential Report weitere, preiswertere Angebote gibt, die vermutlich aber nur für grössere Unternehmen in Frage kommen. Ein wenig kurios ist noch, dass eine Einzelanfrage auf englisch zu einem englischen Produkt mit nur 149 Franken ein regelrechtes Schnäppchen ist.
Früher war bekanntlich vieles besser. Früher wählte man eine Einheitsnummer und konnte, natürlich kostenlos, einem Support-Mitarbeiter das Problem schildern, der einem meistens solange hilfreich zur Seite stand, bis das Problem gelöst war. Ganz früher, in den goldenen 80er Jahren, konnte man sogar direkt bei der Firma vorbeischauen und mit einem der Entwickler plaudern, sofern man zufällig in der Nähe von Cupertino, Torrance oder Redmond wohnte.




Der Grund für diese aus Sicht eines kleinen Individualentwicklers unerfreuliche Veränderung ist simpel. Schuld sind die enormen Kosten (bei Microsoft angeblich pro Jahr eine Summe in dreistelliger Millionenhöhe). Was ein Möbelhaus aus Skandinavien vor vielen Jahren als Erfolgsformel entdeckte, macht heute auch bei Microsoft & Co. Schule – es ist das «Lass Deine Kunden möglichst alles selber machen»-Prinzip. Die moderne Support-Hotline für Arme besteht aus den umfangreichen MSDN-Foren und den Blogs, die bei Microsoft offenbar inzwischen jeder Programm-Manager betreibt. Hier erfährt man so manche Details, die es aus verschiedenen Gründen nicht in die offizielle Dokumentation geschafft haben. Oft wird man hier auch indirekt über Bugs aufgeklärt und darf sogar Fragen stellen, die hin und wieder sogar beantwortet werden.



Auch für das Problem, dass selbst die umfassende MSDN-Dokumentation nicht immer perfekt ist, hat man sich in Redmond etwas Cleveres einfallen lassen. Seit kurzem gibt es ein MSDN Wiki (http://msdn2.microsoft.com/en-us/library/default.aspx). Hier dürfen die Kunden die Dokumentation selber ergänzen und kommentieren. Als Community-Projekt versteht sich. Sieht so aus, als hätte Microsoft von Open Source gelernt.




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