Editorial

Informatikwissen gehört zur Allgemeinbildung


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2007/02

     

InfoWeek-Leser sind auch Informatikanwender, allerdings bevorzugte, weil sie meist im Informatikbereich tätig sind und hier über Zusatzwissen verfügen. Wir alle kennen aber auch viele Mitmenschen, welche reine Informatikanwender sind. Die dafür benötigten Kenntnisse haben die Älteren unter ihnen meist «on the job» erworben, vielleicht ergänzt mit Kursen, und oft auch belastet mit der Angst, ohne diesen Schritt beruflich zurückzufallen. Die Jüngeren lernten und lernen den Umgang mit Computern jeder Art viel lockerer, nämlich mit «learning by doing», heute meist schon im Familienkreis oder in der Primarschule. Wer die Handy-Generation beim SMS-Schreiben oder Freaks bei Computerspielen beobachtet, weiss, was ich meine.




Der Grossteil unserer aktiven Bevölkerung weiss heute mit dem Computer am Arbeitsplatz und zu Hause, mit Textverarbeitung und Web sowie vielem anderen praktisch umzugehen und schimpft nur dann «auf die Informatik», wenn eine Panne, ein Systemwechsel oder eine unverständliche Gebrauchsanweisung ihre Arbeit blockiert. Im Notfall holt man dann Rat bei Kollegen oder über eine Hotline. Tieferes Verständnis für diese neue Technik überlässt man den Fachleuten.
Szenenwechsel: Von jungen Menschen, die im Gymnasium eine Matura erwerben, erwarten wir eine umfassende Allgemeinbildung. Dazu gehören bei uns mindestens drei Sprachen sowie Mathematik, Geschichte und Grundlagen verschiedener Naturwissenschaften. Dank diesem breiten Überblick wird man «matur» («reif») und erhält Zugang zu einem Hochschulstudium beliebiger Richtung.





Wie sieht diese Allgemeinbildung nun bezüglich Informatik aus? Leider wird heute in manchen unserer Kantonsschulen nur «Informatikanwendung» vermittelt, also die Verwendung von Standardprogrammen und die Nutzung des Internet. Das sind heute sicher wichtige, ja unumgängliche Kulturtechniken, wie etwa früher das Schönschreiben. Aber es fehlt das Wissen über Zusammenhänge und Grundlagen, wie es von Maturanden erwartet werden muss. Zum Stoff eines echten Grundlagenfachs «Informatik» gehören beispielsweise elementare Kenntnisse über automatische Abläufe (Schleifen, Fallunterscheidungen, Abbruchkriterien, Modulbildung), Datenstrukturen, Suchprozesse und Datennetze. Das fehlt heute weitgehend. Vor 20 Jahren waren solche Kurse im Umfang etwa einer Jahreswochenstunde in den meisten Gymnasien vorhanden, erteilt von am Stoff begeisterten Lehrkräften, die sich auch um die Bereitstellung von Computern kümmerten.




Remedur ist dringend. In unseren Mittelschulen muss wieder echte Grundlageninformatik (nicht blosse Anwendung) unterrichtet werden. Ein Schritt in diese Richtung ist die geplante Einführung eines sogenannten Ergänzungsfachs Informatik als Maturwahlfach für besonders Interessierte. Es braucht aber vor allem den obligatorischen Informatik-Grundlagenkurs – etwa drei Jahre vor der Matur – und zwar für alle. Und dazu braucht es ausgewiesene Informatikfachlehrer auf dem gleichen Fachniveau, das auch von der Französischlehrerin und vom Mathematiklehrer erwartet wird, also aus einem Studium der Informatik.




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