Editorial

Are you ready for Vista?


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/20

     

Keine Sorge, Sie müssen nicht mit einem begeisterten «Yeah, I am ready» antworten. Die Frage ist auch weder ernst noch rhetorisch, allenfalls ein wenig ironisch gemeint. Online-Umfragen belegen, dass die wenigsten Entwickler bislang eine Meinung zu Vista haben. «Hoffen wir, dass es unseren Anwendungen keine Probleme macht», dürfte noch einer der kreativsten Gedanken zum bevorstehenden Release sein. Kein Vergleich zu dem regelrechten Upgrade-Fieber, das vor der Markteinführung von Windows 95 grassierte. Was ist passiert, dass fast (oder besser nur) 10 Jahre später eine neue Windows-Version so wenig Begeisterung unter den Entwicklern hervorruft?
Wie immer gibt es gleich mehrere Gründe:



- Bereits mit Windows 2000 wurde eine Funktionsvielfalt erreicht, die für die Mehrheit der Entwickler mehr als ausreichend ist.



- Heutige «Büroanwendungen» reizen die API kaum noch aus – wenn Vista nun angeblich 7000 neue Unmanaged API-Funktionen mitbringt, interessiert dies kaum einen Entwickler.



- Einen echten Applikationsmarkt gibt es fast nicht mehr. Wo sind Borland, Lotus, Symantec, Corel, Novell, WordPerfect mit ihren Applika­tionen heute? Es gibt Hunderttausende von Anwendungen für die Windows-Plattform, doch Microsoft kontrolliert die API wie die Notenbank die Geldmenge, so dass der Spielraum für eigene Innovationen minimal ist. Forderungen der Entwickler an echte Innovationen in der API dürfte es kaum noch geben.



- Microsoft selber hat mit einem Zickzackkurs bei der Planung, «endlosen» Verzögerungen und dem Herausstreichen interessanter Features (Stichwort: WinFS) selber dazu beigetragen, dass die Longhorn-Euphorie schnell wieder erlosch (schade auch, dass ich das Foto vom Longhorn-Saloon in Whistler nun niemanden mehr mit einem stolzem «Ich war da» zeigen kann).



- Während Longhorn anfangs noch eng mit Managed Code verbandelt war, hat Vista mit
.Net praktisch nichts tun – das mit Vista offiziell werdende .Net 3.0 gibt es auch für XP.
Das soll natürlich nicht bedeuten, dass es in Vista keine Innovationen gäbe. Die von Microsoft angegebene Zahl von über 2300 neuen Features ist mit Sicherheit frei von Ironie und Übertreibungen, denn unter der Haube hat sich tatsächlich eine Menge getan. Und Vista hält eine gigantische, weltweite Zulieferindustrie am Leben und schafft beziehungsweise erhält Tausende von Arbeitsplätzen. Nur dient das alles nicht dazu, den durchschnittlichen Entwickler zu begeistern.





Für die Zukunft der Anwendungsentwicklung spielt die Windows-Version praktisch keine Rolle mehr. Ob XP SP2, Windows Server 2003 oder Vista ist einerlei. Ich vermute, dass es nach Vista so schnell kein Windows-Update in dieser Grössenordnung mehr geben wird. Web 2.0, die fehlende Bereitschaft in den Unternehmen, Tausende von Arbeitsplätzen auszutauschen, und natürlich die immer kleiner werdenden Innovationsspielräume lassen ein «Monster-Update» als immer weniger zeitgemäss erscheinen.
Meine Empfehlung an die Entwickler: Die finale Version installieren, um ein «Feeling» für die Neuerungen zu bekommen, die eigenen Anwendungen unter der neuen «User Account Protection» testen und ansonsten Spass haben mit der netten Oberfläche und den neuen Spielen.




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