Editorial

E-Government in der Schweiz - wo klemmt es?


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/20

     

In den letzten Tagen hatte ich mehrfach Gelegenheit, mich mit Anliegen und Lösungen für elektronische Verwaltungsprozesse zu befassen, so an den Comdays in Biel und bei einem ICTswitzerland-Seminar in Wien, wo 16 Schweizer National- und Ständeräte und
-rätinnen drei Tage lang österreichische Lösungen studierten. Interessant an der dortigen Situation: Österreich hat sich beim E-Government seit 2001 innerhalb der EU von einem hinteren Rang auf Position 1 vorgearbeitet. Bemerkenswert.




In der Schweiz stellen wir demgegenüber fest: Unser Land mit der seit Jahrzehnten weltweit zweitgrössten Computerdichte (nach den USA) ist Spitze bei Informatikanwendungen aller Art, gilt aber bei E-Government als Pflegefall. Dabei setzt der Bund seit langem jährlich Hunderte von Millionen Franken allein in seinem Bereich für Informatiklösungen ein, dazu kommen entsprechende Anstrengungen der Kantone und Gemeinden.
Und da sind wir beim Kernproblem. In unserer föderalistisch strukturierten Schweiz sind Bundesverwaltung, 26 Kantone und 2’800 Gemeinden grundsätzlich mal selber für ihre Verwaltungsarbeiten und damit auch für die Informatiklösungen verantwortlich, deren Vorteile sie längst erkannt haben und seit Jahrzehnten auch nutzen. Was sie aber nur in Ausnahmefällen machen, ist Entwicklungsarbeit für Nachbargemeinden oder gar Nachbarkantone. Das stört allerdings die vielen privaten Softwarefirmen in unserem Land nicht, welche für die öffentliche Hand Informatiklösungen entwickeln. Sie bieten unseren Gemeinden und Kantonen gerne ihre Lösungen an, in Konkurrenz zwar, aber auch in einer bunten Vielfalt und mit Lokalkolorit, die die Informatik sicher nicht verbilligen, aber viele Arbeitsplätze sichern.





Mir geht es aber hier nicht primär um das Einsparen von Informatik- und Verwaltungskosten (obwohl auch hier weiteres Potential vorhanden wäre). Für die positive öffentliche Wahrnehmung des Schweizer E-Government viel wichtiger wäre aber, dass diese Insellösungen besser vernetzt wären und sich den Bürgern einheitlicher präsentieren würden.
An einem wichtigen Beispiel sei dies gezeigt: Wer zwischen Schweizer Gemeinden umzieht, muss sich meistens noch immer am alten Ort mit Ausweisen und Dienstbüchlein abmelden und am neuen Ort in gleicher Weise anmelden. Dank der im Juni 2006 beschlossenen neuen AHV-Nummer und dem neuen Registerharmonisierungsgesetz wäre nun aber die Weitergabe von Daten zwischen den betroffenen Gemeinden elektronisch und ohne Medienbruch möglich.




Voraussetzung für solche Schritte sind aber zusätzliche organisatorische und konzeptionelle Entscheide auf Ebene Schweiz (durch den Bund oder durch Vereinbarungen zwischen den Kantonen und Gemeinden). Dazu gehören einheitliche Datendefinitionen (nicht notwendigerweise einheitliche Informatiklösungen), einheitliche Strukturen für Web-Portale, einheitliche elektronische Identifikationsmöglichkeiten und ähnliches. Hoffentlich bringen die angelaufenen Anstrengungen der in der ePower-Initiative vereinigten Akteure aus Politik, Wirtschaft und Verbänden bald die entsprechenden Durchbrüche.




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