Wie viel IT-Freiberufler verdienen

Die freischaffenden IT-Spezialisten verlangen immer weniger Geld für ihre Arbeit.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/05

     

Seit Mitte 2002 verlangen IT-Freiberufler stetig weniger für ihre Arbeit. In den letzten sechs Monaten hat die Tarifspirale noch einmal einen deutlichen Sprung nach unten gemacht. Dies ist das Kernresultat der Februarerhebung des IT-Projektportals Gulp. Für die Statistik werden halbjährlich die Daten von rund 47'000 IT-Freelancern und von 150'000 Projektabfragen ausgewertet.
Durchschnittlich verlangte ein IT-Freiberufler im Februar 66 Euro pro Stunde. Vor einem halben Jahr waren es noch 70 Euro. 26,1 Prozent aller freiberuflichen IT-Profis verlangte im letzten Monat zwischen 60 und 69 Euro. Während 15,37 Prozent bei Stundensatzforderungen zwischen 50 und 59 Euro angelangt sind, verlangen 7,03 Prozent nur noch zwischen 40 und 49 Euro pro Stunde. Das sind, im Gegensatz zur letzten Erhebung, bereits mehr als diejenigen, die 90 bis 99 Euro (5,48 Prozent) verlangen. Immerhin 6,83 Prozent der Freiberufler trotzen den schwierigen Zeiten und fordern nach wie vor mehr als 100 Euro pro Stunde.


Am meisten gibt’s in der Schweiz

Bei den Projektangeboten ist zu beobachten, dass vermehrt im unteren Stundensatzbereich gesucht wird. 80,77 Prozent der Unternehmen vergeben ihre Projekte in der Kategorie zwischen 50 und 89 Euro. Im Bereich von 60 bis 69 Euro haben die Angebote um 8,11 Prozent zugenommen, und bei 70 bis 79 Euro ist ein Plus von 9,11 Prozent zu verzeichnen. Bei 80 bis 89 Euro ist die Nachfrage hingegen um 6,46 Prozent gesunken.
Vergleicht man die deutschsprachigen Länder, mussten alle einen deutlichen Rückgang hinnehmen. Dabei hat die Schweiz mit 86 Euro pro Stunde die Nase immer noch vorne, was allerdings auch mit den höheren Lebenshaltungskosten erklärt wird. In Österreich fordern die Freischaffenden im Schnitt 69 und in Deutschland 66 Euro. Die Entwicklung sieht aber in allen drei Ländern ähnlich aus. Während in der Schweiz im August 2002 noch 97 Euro gefordert wurde, lagen die Ansprüche in Österreich bei 77 und in Deutschland bei 72 Euro (siehe Tabelle «nach Land»).


Der Kunde diktiert den Preis

Im Gegensatz zu festangestellten Mitarbeitern müssen sich IT-Freiberufler älteren Semesters keine Sorgen machen. Bei den Projektvergaben setzt man auf Experten mit Erfahrung. Während sich jüngere Leute bis und mit 29 Jahren mit durchschnittlich maximal 54 Euro pro Stunde zufriedengeben müssen, können IT-Profis über dreissig bis zum Alter von 49 Jahren immerhin zwischen 65 und 69 Euro verlangen. Wer älter ist, verlangt nochmals einen bis drei Euro mehr pro Stunde. Ab 60 Jahren liegen dann durchschnittlich 75 Euro drin (siehe Tabelle «nach Alter»).
Zu den ausgewerteten Zahlen ist anzufügen, dass es sich um die geforderten und nicht um die tatsächlichen Ansätze handelt. Denn die effektiv von den Auftraggebern bezahlten Tarife werden in der Statistik nicht erfasst.




«Die effektiv bezahlten Stundenansätze sind in den letzten drei Jahren generell um rund 20 bis 25 Prozent zurückgegangen», sagt André van Sprundel, Geschäftsführer von Global Human Resources. Van Sprundel stellt ausserdem fest, dass zur Zeit der Kunde und nicht der Auftragnehmer die Tarife diktiert. Mit ein Grund dafür sei auch die rückläufige Auftragslage der letzten Jahre.
Global Human Resources ist spezialisiert auf projektorientiertes IT-Ressourcen-Management. Das Unternehmen greift auf ein Netzwerk von rund 2500 IT-Spezialisten zurück und hat sich zum Ziel gesetzt, IT-Fachkräfte und Kundenaufträge mit höchstmöglicher Übereinstimmung zusammenzubringen.


Know-how zahlt sich aus

Betrachtet man die Entwicklung nach Berufsgruppen, findet man keine Gewinner. Insgesamt mussten alle freiberuflichen IT-Experten in den letzten sechs Monaten im Durchschnitt Abstriche um zwei Euro pro Stunde hinnehmen. Bei den Administratoren fielen die geforderten Stundentarife um drei und bei den Projektleitern sogar um vier Euro. Diese verdienen jedoch mit 71 Euro durchschnittlich immer noch am meisten. Auf dem zweiten Platz folgen die Berater mit 70 Euro mit einem deutlichen Abstand auf die Software-Entwickler (62 Euro). Die Trainer und Qualitätssicherungsexperten pendeln sich auf jeweils 60 Euro ein, während die Administratoren mit 54 Euro das Schlusslicht bilden (siehe Tabelle «nach Berufsgruppe»).




Laut van Sprundel sind Projektleiter nach wie vor hoch im Preis, da diese auch entsprechende Verantwortung übernehmen müssen. Ausserdem werden auch für Entwickler, die in neueren Technologien tätig sind, sehr gute Tarife bezahlt. «Ein .Net-Entwickler kann durchaus 120 bis 140 Franken von Global Human Resources verlangen», bestätigt van Sprundel. Allerdings sei hier erwähnt, dass dafür einiges vorausgesetzt wird. «Einerseits wird Spezialisten-Know-how verlangt, andererseits müssen solche Leute wenn möglich Microsoft-zertifiziert sein und im Idealfall bereits Erfahrungen mit Beta-Versionen mitbringen», so van Sprundel.


Fehlende Transparenz

Laut Gulp liegt ein Grund für die fallenden durchschnittlichen Stundenforderungen im hohen Kostendruck, der immer noch auf den IT-Abteilungen lastet. Dieser Druck werde an die Projektvermittlungsagenturen weitergegeben, die wiederum die Last auf die Höhe der eigenen Margen und die Stundenlöhne der Freiberufler verteilen. Dies sei soweit eine faire Methode und von allen Seiten auch weitgehend akzeptiert.
Dieses Vorgehen wird auch bei Global Human Resources praktiziert. «Die Kostendruck-Weitergabe wird auf alle Parteien proportional verteilt», bestätigt der Geschäftsführer, der ausserdem anfügt, dass im Industriesektor der Stundensatz teilweise etwas tiefer ist als im Finanzsektor.




Gemäss der Gulp-Auswertung gibt es jedoch auch Agenturen, die die Freischaffenden massiv im Preis drücken, weil sie es sich gar nicht leisten können, ihre Margen zu verkleinern. Das hänge damit zusammen, dass diese Agenturen nach wie vor komplexe Prozesse finanzieren müssen.
Ähnliche Erfahrungen macht van Sprundel: «Es gibt viele Unternehmen, die ihren Fachkräften nicht kommunizieren, wie hoch die Ansätze sind, die sie von den Auftraggebern erhalten. Hier fehlt eindeutig die Transparenz». Global Human Resources hingegen kommuniziert offen, dass ihre Margen maximal 20 Prozent betragen.
Gulp warnt davor, die Stundenansätze weiter zu drücken. Dies führe unweigerlich dazu, dass die Freiberufler weniger motiviert arbeiten und die Projekte somit an Qualität einbüssen.


Verhaltener Optimismus

Um die Zukunft der IT-Freischaffenden scheint es in der Schweiz nicht so schlecht zu stehen. «Natürlich haben die Auftraggeber die Situation in den letzten Jahren ausgenutzt und die Preise gedrückt», stellt van Sprundel fest, «aber das haben die Spezialisten in den Boomjahren in die andere Richtung auch gemacht.» Er beobachtet ausserdem, dass momentan eine gesunde Stabilisierung stattfindet und dass wieder etwas Bewegung in den Markt kommt. «In diesem Jahr werden vermutlich vermehrt Aufträge realisiert, die in der Vergangenheit zurückgestellt wurden.» Trotz des neu aufgekommenen Optimismus dürfe man aber nicht erwarten, dass ein neuer Hype entstehe, so van Sprundel.




Euro-Stundensätze im deutschsprachigen Raum




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