Sicherheitsrisiko Microsoft? Jacqueline Bachmann vs. Alexander Stüger


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/22

     

Es sticht ins Auge: Fast immer wenn ein neues Virus die Runde macht, sind Microsoft-Programme daran beteiligt. Jacqueline Bachmann, die Geschäftsführerin der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS), bezichtigt Microsoft deshalb der Komplizenschaft. Ein happiger Vorwurf, den Microsofts Schweizer Länderchef, Alexander Stüger, nicht auf sich sitzen lässt. Er appelliert an die Eigenverantwortung der Anwender.


Pro: Jacqueline Bachmann

Schnell, schnell muss ein neues Microsoft-Produkt auf den Markt. Dass dabei die Sicherheit auf der Strecke bleibt, ist kaum verwunderlich, aber ärgerlich. Die Sicherheitslücken nützen nämlich Spitzbuben und kriminelle Computerfreaks aus. Wie durch ein offenes Scheunentor fallen Würmer und Viren in die Microsoft-Welt ein. Wo solche Lücken bestehen, muss der User statt Microsoft austesten. Und stopfen kann er die Löcher dann gleich auch noch selber. Unzählige Sicherheitsupdates und Sicherheitspatches sollen es möglich machen. Aber nur Profis haben hier noch den Durchblick. Durchschnittliche Konsumentinnen und Konsumenten sind überfordert.



Keine Alternative



Da über 90 Prozent der PCs auf Microsoft laufen - und damit der Software-Gigant den Markt dominiert -, haben die Anwender auch kaum eine Alternative. Und wenn doch, hat Microsoft vorgesorgt. Andere Systeme sind mit dem Microsoft-Betriebssystem Windows meist nicht kompatibel oder können nur von Experten zum Funktionieren unter Microsoft-Bedingungen gebracht werden. Zudem halten sich hartnäckige Gerüchte, dass Microsoft auf die Anbieter Druck ausübe, die PCs nur mit vorinstalliertem Windows zum Verkauf anzubieten.
Die marktbeherrschende Stellung von Microsoft wird heute von niemandem mehr ernsthaft angezweifelt. Aus Sicht der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) nützt Bill Gates diese schamlos aus und behindert damit den freien Wettbewerb. Deshalb blickt die SKS auch mit grossem Interesse nach Brüssel. Denn die EU-Wettbewerbskommission hat den Abschluss des Kartellverfahrens gegen Microsoft für Anfang 2004 in Aussicht gestellt.
Die EU-Wettbewerbskommission kam bereits 2000 zum Schluss, dass "Microsoft der Verpflichtung zur Offenlegung ausreichender Interface-Informationen über das PC-Betriebssystem nicht nachgekommen ist". Ein Jahr später doppelten EU-Wettbewerbshüter nach und erklärten, dass Microsoft auf "rechtswidrige Weise" seine beherrschende Stellung im Markt der Betriebssysteme für PCs "auf den Markt der einfachen Server-Betriebssysteme erweitert hätte" und seinen Media Player gesetzwidrig an sein marktbeherrschendes Betriebssystem gekoppelt habe.



Europa entscheidet

Die SKS hat kürzlich von der Eidgenössischen Wettbewerbskommission (WEKO) ein paralleles Verfahren für den Schweizer Markt gefordert. Die WEKO will aber den Brüsseler Entscheid abwarten, denn Microsoft verfolge europaweit eine einheitliche Politik. Falls die EU dem Software-Giganten Wettbewerbsbehinderungen nachweist, wird sich dieser Entscheid aller Voraussicht nach auch in der Schweiz auswirken. Käme Microsoft allfälligen EU-Auflagen in der Schweiz nicht nach, so die WEKO, würde auch bei uns ein Kartellverfahren ins Auge gefasst werden. Dem EU-Entscheid vorauseilend, lassen Bill Gates Mannen und Frauen schon mal ihre Muskeln spielen. Falls die EU eine Entkoppelung des Media Players verlange, wollen sie künftig in Europa nur noch eine abgespeckte Version offerieren.


Kontra: Alexander Stüger

Im Herbst nehmen die Dämmerungs-Einbruchdiebstähle zu. Wen gilt es vor den Kadi zu ziehen? Meines Erachtens die Einbrecher. In der Lesart der Stiftung für Konsumentenschutz sind es die Fenster- und Türenhersteller. Ist meine Analogie etwas gar simpel, Frau Bachmann? Ja, denn so einfach ist es nicht. Und leider schon gar nicht in der IT-Sicherheit, bei der äusserst komplexe Prozesse, Technologien und Menschen zusammen wirken und die kriminelle Energie eines Einzelnen weltweiten Schaden anrichten kann. Die SKS suggeriert den Konsumenten, dass wettbewerbspolitische Massnahmen ein industrieweites Problem lösen können. Mehr Konkurrenz, mehr Wahlfreiheit, dann seien Konsumenten sicher vor Viren- und Würmer-Attacken. Ein einfaches Rezept, aber leider realitätsfremd und nicht eben hilfreich für die realen Probleme der Konsumenten.



Die SKS stellt sich auf den Standpunkt, dass Microsoft wissentlich und absichtlich fehlerhafte Software ausliefert. Diesen Vorwurf weise ich aufs Schärfste zurück. Sicherheit ist schon während der Software-Entwicklung ein fundamentaler Bestandteil unserer Arbeit. Microsoft nimmt sich Zeit für die Entwicklung sicherer und integrer Produkte - von einem "schnell, schnell" auf den Markt bringen kann hier keinesfalls die Rede sein. Windows Server 2003 etwa wurde ein Jahr später als geplant zur Einführung gebracht um grösstmögliche Sicherheit zu gewährleisten und die rund 30'000 Entwickler in Redmond im Schreiben sicherer Codes weiter zu schulen.




Auch die grössten Kritiker gestehen Microsoft zu, dass wir das Thema sehr, sehr ernst nehmen, die ganze Firma darauf eingeschworen haben und massgebliche Mittel investieren. Dies alles reicht aber nicht: Uns allen muss klar sein, dass die Entwicklung und Verbreitung eines Virus ein krimineller Akt ist und in böswilliger Absicht erfolgt, um anderen zu schaden. Hier liegt meiner Ansicht nach der erste Ansatzpunkt in den Massnahmen für mehr Sicherheit. Ausserdem ist es unsere Pflicht, die PC-Nutzer für diese Gefahr zu sensibilisieren und ihnen aufzuzeigen, wie sie sich schützen können. Leider gibt es immer noch eine grosse Anzahl von Anwendern, die ihren PC nicht sicher gemacht haben. Wir können nicht oft genug betonen, dass es nur drei einfache Schritte sind, die einen PC sicher machen: eine Internet-Firewall verwenden, aktuelle Sicherheits-Updates herunterladen und aktuelle Antiviren-Software einsetzen.



Helm auf

Selbst in einer Welt, in der es Microsoft nicht gäbe, würden sich Anwender mit Sicherheitsfragen auseinandersetzen müssen. Das ist ein notwendiger Lernprozess wie die Regel "Helm auf beim Velofahren". Daran ändert kein Kartellrechtsverfahren der Welt etwas. Und deshalb empfinde ich es also absolut paradox, dass Sie und ich, Frau Bachmann, uns in dieser Pro&Kontra-Rubrik gegenüber stehen, obwohl wir das gleiche Ziel haben: Anwender vor Virenattacken zu schützen. Sie haben ein Gespräch mit mir abgelehnt, aber ich gebe nicht auf: Lassen Sie uns an einen Tisch sitzen und diskutieren, wie wir gemeinsam sicherstellen können, dass Konsumenten geschützt sind. Uns ist dies ein echtes Anliegen.


Die Kontrahenten

Jacqueline Bachmann ist
Geschäftsführerin der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS)
in Bern.





Alexander Stüger ist
General Manager von Microsoft Schweiz.




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