Lichtblicke am Horizont

IT-Berater durchleben frostige Zeiten seit dem Niedergang der New Economy. Sie beschäftigen sich vor allem mit sich selbst, specken ab, fusionieren und entwickeln effizientere Methoden. Langsam wittern sie jedoch Morgenluft. Der «Projektstau» soll bald ein Ende nehmen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/20

     

Das Jahr 2003 wird als Annus horribilis in die Annalen der IT-Beratungsgilde eingehen. Übereinstimmend kommen Marktforscher nämlich zum Schluss, dass die Branche nach den bereits rückläufigen Jahren 2001 und 2002 auch 2003 wieder Federn lassen wird, so stark wie noch nie. In Stakkatodeutsch kommentiert der Schweizer Berufsverband Association of Management Consultants Switzerland (ASCO) den Kriechgang: "Der Markt für Unternehmensberatungen ist derzeit gesättigt. Die Wirtschaft verharrt weiter in der Konsolidierungsphase. Antizyklisches Verhalten ist kaum erkennbar." Deshalb erwartet der Verband für 2003 auch "kein Wachstum", sondern "eher einen Rückgang des Marktvolumens um 5 bis 10 Prozent". Statt 1,2 nur noch 1 Milliarde Franken Umsatz.


Grosse Erfahrung - kleine Mandate

Betroffen vom Rückgang sind laut ASCO alle Beratungsfirmen, wobei die zehn grössten Unternehmen im Jahr 2002 mit einem Marktanteilseinbruch von 53 auf 49 Prozent überdurchschnittlich stark betroffen waren, während die kleinen Firmen (Honorarumsatz bis 0,75 Millionen Franken) einen Rückgang um durchschnittlich 10 Prozent hinnehmen mussten.



Die Gründe für den Rückgang sieht die ASCO im anhaltend "sehr grossen Kostendruck", dem die Unternehmen ausgesetzt seien. Daraus folgt ein eklatanter Mangel von zündenden Ideen. Gefragt seien auf der anderen Seite kurzfristig wirksame ROI-Steigerungen wie etwa Produktivitätsverbesserungen. Den Anwenderfirmen gehe es vor allem darum, die Komplexität der IT-Systeme besser in den Griff zu bekommen. Der Kunde will heute eine Lösung auf dem Tablett serviert bekommen, klassische Konzeptberatungen mit schwammigen Zielen sind out.




Diese Jobs trauen die Anwender offensichtlich den blutjungen Anfängern nicht zu. Sie ziehen Senior Consultants vor, die auch nach wie vor sehr gut bezahlt seien, so die Überzeugung der ASCO. Laut Ruedi Vontobel, Chef von IBM Consulting Services in der Schweiz, siedelt sich das Gros der aktuellen Tagesansätze in der Bandbreite zwischen 2000 und 4000 Franken "und mehr" an. Dass Erfahrung und Vertrauen zählen, zeigt sich auch daran, dass kleine und weniger etablierte IT-Consultants soweit gehen und die Honorarzahlung an den erfolgreichen Projektanschluss knüpfen.



"Heute werden Beratungen gezielter eingekauft, die Mandate sind kleiner", schreibt auch die ASCO in ihrer Studie "Trend und Fakten zum Management Consulting Schweiz 2002/2003". Diese Veränderung der Einkaufsgewohnheit bedeutet aber auch, dass der Akquisitionsaufwand für ein Projekt massiv zugenommen hat. Weil die Kunden keinen Zeitdruck verspüren, nehmen sie sich alle Zeit der Welt. Der Berater muss also bei unzähligen Präsentationen antreten und sich sogenannten "Beauty Contests" unterwerfen - auch für kleine Subprojekte. Gewinnt er den Deal, muss er später zusammen mit dem Kunden viele Ressourcen in den Aufbau einer klaren Projektarchitektur stecken, für die er meist keine Rechnung stellen kann. Das Positive daran ist, dass sich sowohl der Kunde als auch der Berater im Klaren darüber sind, wohin die Reise geht. Das hilft, Enttäuschungen zu vermeiden, weil im "Gestaltungsprozess oft unrealistische Erwartungen korrigiert werden können", so die ASCO.



Diese Entwicklung hat aber auch eine Kehrseite - zumindest für die Berater. Denn sie müssen unter diesen Bedingungen viel länger Gratisleistungen erbringen. Für die Consultants mag dies eine unheilvolle Entwicklung sein, aber das unentgeltliche Offertwesen frisst sich immer tiefer ins eigentliche Projektgeschäft vor.



Das Frustrierende daran: Diese Entwicklung scheint nicht umkehrbar zu sein. Die Kunden von heute sitzen eindeutig am längeren Hebel, und sie wissen den Kraftvorteil elegant zu ihren Gunsten einzusetzen, zumindest solange, wie der Beratergilde keine neuen Buzzwörter mehr einfallen. Ein wohl prononciertes Customer Relationship Management im richtigen Moment öffnete dem Berater die Tür in jede Chefetage. Heute scheinen die Kunden nicht mehr auf Hype-absondernde Consultants hereinfallen zu wollen. Statt dessen stehen bewährte Konzepte wie Supply Chain Management (Partner- und Lieferantennetze) oder Infrastrukturverbesserungen wie beispielsweise "real-time"-, "on-demand"- und "adaptive"-Lösungen im Vordergrund.




Thementrends

Themen, die derzeit bei den Unternehmen hoch im Kurs stehen und steigende IT-Beratungsleistungen versprechen:




• Corporate Governance, strategisches Controlling




• Vertriebsmanagement, CRM, Kundenbindung




• Optimierung der Wertschöpfungskette




• Outsourcing




• Prozesskosten senken




• Human Ressource


Branchentrends

Es sind vor allem Branchen, die sich mitten im Strukturwandel befinden und/oder der Liberalisierung unterworfen sind, wo die grössten Wachstumschancen bestehen.




Welche Branchen haben Nachholbedarf?


• Gesundheitswesen



• Handel



• Öffentliche Verwaltung



• Landwirtschaftssektor


Welche Branchen werden tendenziell weniger Beratereinsätze brauchen?


• Finanzdienstleister



• Maschinen und Anlagebau



• Telekommunikation



• Energiewirtschaft




Die grössten Management-Consultingfirmen in der Schweiz





Kundenzufriedenheit



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