Editorial

Domain-Verwaltung: Vorsorge statt Vertrauen

Es ist wichtig, dass Domain-Inhaber, die ihre Adressen aktiv gebrauchen, sicherstellen, dass sie die wenigen ihnen zugänglichen Kontrollmöglichkeiten auch nutzen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/20

     

Die Ankündigung der International Standardization Organization (ISO) von Ende Juli, nach dem Krieg in Jugoslawien den neuen Staatsgebilden Serbien und Montenegro den Alpha-2-Code "cs" statt dem bisherigen "yu" zuzuteilen, wäre keine Notiz wert, gäbe es nicht ein kleines Problem: Das Länderkürzel "cs" wurde bis 1993 von der Tschechoslowakei benutzt. Obwohl die Nachfolgestaaten, die Tschechische Republik und die Slowakei, mit "cz" und "sk" inzwischen eigene Kürzel haben, gibt es noch Internetadressen, die unter "cs" geführt werden. Zwar überlegt sich die ISO inzwischen, die Neuvergabe doch nicht durchzuführen, doch stehen die Chancen dafür schlecht.



Das Vorhaben der ISO dürfte zwar Surfer in der Schweiz kaum berühren, offenbart aber einen wunden Punkt des Internet: Einen Besitzstandsschutz für Internetadressen gibt es nicht. Zwar haben Inhaber von Domain-Namen mit den Registrierstellen Verträge, die sich (theoretisch) auch vor Gericht durchsetzen lassen. In einzelnen Ländern wie etwa der Schweiz ist die Vergabe von Domain-Namen sogar öffentlich-rechtlich reguliert. Auch kann mit nationalen Markenrechten ein flankierender Schutz gegen "Domain-Piraten" aufgebaut werden.




Doch darüber hinaus ist die Internetinfrastruktur auf Sand gebaut. Zwar hat niemand ein Interesse daran, am Domain-Namen-System Änderungen vorzunehmen, die für den Grossteil der Nutzer zu Nachteilen führen. Eine Garantie der Stabilität gibt es jedoch nicht. Und zahlreiche Firmen, Behörden und andere Organisationen hängen vom Bestand ihrer Internetadressen ab: Wer die Kontrolle über einen Domain-Namen hat, hat auch die Kontrolle darüber, wohin Mails oder Webzugriffe auf entsprechende Adressen geleitet werden. Dabei erlaubt das Schweizer Recht die sofortige Neuzuteilung einer gelöschten Domain; die früher gültige Wartefrist von sechs Monaten wurde abgeschafft.



Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Domain-Inhaber, die ihre Adressen aktiv gebrauchen, sicherstellen, dass sie die wenigen ihnen zugänglichen Kontrollmöglichkeiten auch nutzen. So ist es bei grösseren Domain-Portfolios zwar üblich geworden, Drittfirmen mit deren Verwaltung zu beauftragen, doch ist häufig nicht gewährleistet, dass die faktische Kontrolle über die Domains beim Auftraggeber bleibt. Kann nur der Domain-Verwalter über die von den Registrierstellen vorgegebenen automatischen Verfahren Änderungen im Domain-Bestand durchführen, wird es im Falle von Meinungsverschiedenheiten für den Inhaber der Domains mühsam: Selbst wenn keine Gerichte bemüht werden müssen, wird die Rückeroberung der Kontrolle zeitraubend und teuer. Solche Fälle kommen inzwischen vermehrt vor; häufig entbrennen sie an unberechtigten Geldforderungen oder Gebührenerhöhungen der Verwalter.



Vorsorge statt Vertrauen ist aber nicht immer möglich, etwa bei IP-Adressen: Zwar kann eine Firma darauf bedacht sein, möglichst wenige öffentliche IP-Adressen und nur solche des eigenen Providers zu verwenden. Ohne sie geht im Internet jedoch nichts. Obwohl die Zuteilungsstellen Regeln aufgestellt haben und IP-Adressen in diversen Ländern unter die staatliche Hoheit fallen, sind viele Rechtsfragen ungeklärt. Die Stabilität des Systems ist also auch in diesem Bereich lediglich eine faktische. Wie lange sie hält, ist angesichts der Machtkämpfe um die Selbstregulierung des Internets und der wachsenden Geldnot der Verwalter eine interessante Frage.




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