Editorial

Was ein Web-Service ist - ein paar Menüvorschläge

Was ein Web-Service ist, weiss wahrscheinlich niemand so genau. Oder vielmehr: Jeder hat eine eigene Auffassung davon.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/05

     

Was ein Web-Service ist, weiss wahrscheinlich niemand so genau. Oder vielmehr: Jeder hat eine eigene Auffassung davon. In jeder Softwareküche brüten die Köche über den Rezepten und probieren aus, welches Fertiggericht den Konsumenten wohl am besten schmecken würde. Da aber gerade in Geschmacksfragen die Meinungen weit auseinander liegen, unterscheiden sich erwartungsgemäss auch die Rezepte beträchtlich voneinander - vor allem bei den Zutaten.



In der Küche von Microsoft dampft es schon lange aus den Töpfen. Und da man nun in Redmond mit Visual Studio .Net ein universelles Küchengerät zur Hand hat, ist man dem fertigen Gericht ein bedeutendes Stück näher gekommen. Vor allem auch deshalb, weil das Rezept denkbar einfach ist: Man nehme als Basis viel Windows, peppe das Ganze mit ein wenig XML, SOAP und WSDL auf. Schliesslich kommen noch Unmengen von .Net-Geschmacksverstärkern hinzu und fertig. Wen wundert's, dass das .Net-Süppchen ziemlich fad schmeckt - Einheitsbrei von Microsoft halt. Egal, was man in die Visual-Studio-Küchenmaschine hineingibt - hinten kommt .Net heraus (Seite 9).




Etwas anders sieht es in der Küche von Sun aus. Hier spielt die Basis nicht dieselbe Rolle. Dort kocht man nämlich nach dem Prinzip "einmal Rezept schreiben, überall kochen und essen". Allerdings ist diese Abart der Nouvelle Cuisine gar nicht so einfach zuzubereiten. Aber als man hörte, dass in der Küche von Microsoft mit dem .Net-Geschmacksverstärker angerichtet wird, wollte man nicht um eine Reaktion verlegen sein und kreierte den ONE-Saucenbinder - der wird's dann schon richten. Trotz Saucenbinder bleibt aber die wichtigste Zutat in der Sun-Küche Java. Das sieht denn auch auf den ersten Blick ebenfalls wie Einheitsbrei aus. Für Sun kann man deshalb nur hoffen, dass die vielen Köche den Java-Brei nicht gleich ganz verderben und letztlich doch noch ein pfiffiges Web-Services-Gericht daraus hervorgeht. So hätte man als Konsument zumindest die Wahl zwischen zwei Geschmacksrichtungen - ONE oder .Net. Genau deshalb schielt aber die Küchenbrigade von Microsoft abschätzig zu den Sun-Köchen hinüber. Vom Küchenchef bis hinunter zum Casserollier finden alle, dass Java sauer aufstösst und deshalb ungeniessbar ist. Geschmacksache halt...



Auch wenn die Web-Services-Rezepte mittlerweile weitgehend geschrieben und abgeschmeckt wurden, richtig kosten konnten wir die Gerichte noch nicht. Einen Vorgeschmack gab es zwar hier und da, ob das Zeugs aber nicht trotz allem zu schwerverdaulich ist, wissen wir noch nicht. Dabei könnten gerade wir den Köchen die Suppe gehörig versalzen - indem wir sie schon gar nicht erst essen -, aber darüber wird in den Softwareküchen kaum nachgedacht. Es gibt auch kein Zurück mehr: Bereits wurde viel Geld in das Austüfteln der Rezepte gesteckt. Trotzdem behaupte ich, dass die Web-Services nicht so unvergleichlich neu schmecken werden, wie man aufgrund des ganzen Aufhebens vermuten könnte. Im Gegenteil: Vieles davon wird wie kalter Kaffee anmuten. Und was ein Web-Service genau ist, wird man wohl erst mit der Zeit herausfinden - es sei denn, das Wort löst sich schon vorher als schnellebiger Marketing-Begriff auf.




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