Domains: Es darf weiter gestritten werden

Die intensive gerichtliche Auseinandersetzung mit Domain-Streitigkeiten in unserem nördlichen Nachbarland beweist, dass mit dem Registrierungsprinzip "first come, first served" und den marken-, namens- und wettbewerbsrechtlichen Leitplanken die missbräuchliche Verwendung von Domain-Namen bereits heute wirksam bekämpft werden kann.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/03

     

Sie erinnern sich: Im Spätsommer des vergangenen Jahres schickte das Bakom einen für Schweizer Verhältnisse revolutionären Verordnungsentwurf über die Vergabe von CH-Domains (AEFV) in die Vernehmlassung. Von fünfjähriger Karenzfrist für Domain-Inhaber war da die Rede, von mehr Wettbewerb zwischen den Registrierungsstellen, von Enteignung freihaltebedürftiger Begriffe durch den Staat. Die Reaktion der Betroffenen war entsprechend und führte dazu, dass in der neusten Version der Verordnung, die am 20. Dezember der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, nichts mehr von alledem zurückblieb; auch nicht die Multiplizierung der Registrierstellen. "Auf Wunsch der betroffenen Kreise" bzw. aufgrund fehlender Konkurrenz bleibt die Zuteilung der Domain-Namen in der Schweiz auch in Zukunft einem einzigen Anbieter, nämlich Switch, vorbehalten.




Dass der Verordnungsentwurf in der Vernehmlassung richtiggehend zerzaust wurde, ist zu begrüssen. Die intensive gerichtliche Auseinandersetzung mit Domain-Streitigkeiten in unserem nördlichen Nachbarland beweist, dass mit dem Registrierungsprinzip "first come, first served" und den marken-, namens- und wettbewerbsrechtlichen Leitplanken die missbräuchliche Verwendung von Domain-Namen bereits heute wirksam bekämpft werden kann. Registerbetreiber Switch wird weiterhin nicht gehalten sein, jede Anmeldung auf ihre Rechtmässigkeit zu überprüfen.


Keine Bevorzugung von Gemeinden

Buchstäblich ins Wasser gefallen sind auch die angekündigten Neuerungen betreffend Privilegien der Gemeinden. Danach hätte eine Gemeinde den ihr zustehenden Domain-Namen per Verordnungsweg zugesprochen bekommen - wenn auch gegen eine angemessene Entschädigung, falls der ehemalige Inhaber des Domain-Namens gutgläubig gehandelt hatte. Gemeinden, die um ihren Namen kämpfen, werden also weiterhin versuchen müssen, mit ihren Kontrahenten eine gütliche (sprich finanzielle) Einigung zu erzielen oder aber vor dem Zivilrichter Klage zu erheben.



So geschehen im wohl berühmtesten aktuellen CH-Domain-Streitfall www.luzern.ch, wo die Privatfirma Head Web GmbH Ende Jahr vom Luzerner Obergericht dazu verpflichtet wurde, den Domain-Namen www.luzern.ch entschädigungslos an die Stadt Luzern abzutreten und sämtliche Verfahrens- und Anwaltskosten der gegnerischen Partei (zusammen ca. 25'000 Franken) zu tragen. Der erstinstanzliche Entscheid des Amtsgerichtes wurde damit bestätigt. Die Tatsache, dass die Baudirektion der Stadt Luzern Wohnungen und Geschäftsräume vermietet - und damit, wenn auch nur marginal, am Wirtschaftsleben teilnimmt -, war für das Gericht Grund genug, seinen Entscheid wettbewerbsrechtlich zu begründen (Art. 3 lit. d UWG). Der Name "Luzern" habe national und international den Wert eines "Individualzeichens mit starker Kennzeichnungskraft" erlangt, und die meisten Internetbenutzer erwarteten unter dieser Adresse nicht nur Informationen über, sondern auch von der Stadt Luzern. Das Publikum werde durch die Schaffung einer Verwechslungsgefahr irregeführt und der Ruf der Stadt von der Privatfirma in unlauterem Sinne ausgebeutet.





Namensrecht arbeitet für Gemeinden

Der entscheidende Anklagepunkt - dass der besagte Domain-Name der Stadt nämlich auch aus Namensrecht zustehe (Art. 29 ZGB) - musste in diesem Zusammenhang nicht einmal geklärt werden. Aber auch hier stehen die Chancen für die Beklagte schlecht. Beim Namensrecht geht es wie bei allen Kennzeichenrechten nicht darum, festzustellen, wer Recht und wer Unrecht hat, sondern lediglich, wer die besseren Rechte an einem bestimmten Namen hat. Dass die nötige Interessensabwägung in solchen Fällen meistens der Gemeinde Recht gibt, bestätigen nicht nur diverse Entscheide des deutschen Bundesgerichtshofs, sondern auch das kürzliche Urteil des Handelsgerichts des Kantons Aargau in Sachen "Frick".




Im Fall www.luzern.ch jedenfalls ziehen die Beklagte und ihr Rechtsvertreter den Entscheid ans Bundesgericht weiter, wo sie auf einen für sie positiven Grundsatzentscheid hoffen, der dem Freiheitsgedanken des World Wide Web zum Sieg gegen den arroganten Übervater Staat verhelfen soll. Eines ist jetzt schon klar: Wenn sie gewinnen, wird man ihnen Hartnäckigkeit nachsagen, wenn sie verlieren Dickköpfigkeit.



Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Wieviele Fliegen erledigte das tapfere Schneiderlein auf einen Streich?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER