SAP schluckt PayNet-Software
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/44
Die Telekurs-Gruppe hat letzte Woche für eine nicht genannte Summe das PayNet-System an die deutsche ERP-Softwareschmiede SAP verkauft. SAP wird für die Weiterentwicklung der Software verantwortlich zeichnen und Telekurs wird als Lizenznehmer im nächsten Jahr die Vermarktung und den Betrieb des Online-Payment-Systems in der Schweiz übernehmen. Der Clou einer solchen Lösung für das Electronic Bill Presentment and Payment (EBPP): Alle Schritte der Fakturierung bis hin zur Übermittlung und Bezahlung einer Rechnung erfolgen digital und online.
Damit nimmt es mit dem Versuch, das EBPP zu etablieren, eine glückliche Wendung. Die Banken, die letztlich hinter PayNet als Firma standen, haben sich vom Projekt abgewendet, da es enorme Geldmittel verschlang, vielmehr noch, weil man um einen internationalen Ausbau nicht herumkam. Eine Schweizer Insel-Lösung hätte wohl auch kaum Sinn gemacht.
Dass aber das Bedürfnis für ein EBPP-System bei vielen Firmen besteht, ist nicht von der Hand zu weisen. Schliesslich verspricht ein solche integrierte Lösung Kosteneinsparungen von bis zu 70 Prozent im Vergleich mit bestehenden Systemen.
Die schweizerische Post, enttäuscht über die Situation bei PayNet, hat Anfang November den Pilotbetrieb eines eigenen EBPP-Projekts namens Yellowbill in Angriff genommen.
Mit der Übernahme von PayNet durch SAP hat sich die Ausgangslage nun aber entscheidend verändert. Gemäss Post-Pressesprecher Alex Josty habe man selbstverständlich die neuesten Entwicklungen zur Kenntnis genommen. In den nächsten Tagen soll diskutiert werden, wie man darauf reagieren wird. Telekurs-Sprecher Bernhard Wenger bestätigt seinerseits, dass mit der Post umgehend Verhandlungen aufgenommen wurden.
Dass es zu einer Zusammenarbeit zwischen der Post und SAP kommt, ist sehr naheliegend. Vor allem auch deshalb, weil die Post selbst auf die mySAP-Finance-Lösung setzt, in die PayNet schliesslich eingebunden wird. Gemäss Hansruedi Kuster, Marketingleiter SAP Schweiz, liegt es an der Post, ob eine Zusammenarbeit zustandekommt.
"Ich glaube nicht, dass es in der Schweiz Platz hat für mehr als ein
EBPP-System", meint Kuster skeptisch. Die Zeichen stehen gut für SAP, mit PayNet erfolgreich zu sein. Allein in der Schweiz setzen rund 1000 Firmen die mySAP-Finance-Lösung ein. Geplant ist im weiteren, die PayNet-Lösung zuerst im gesamten deutschsprachigen Raum zu etablieren.
Entsprechende Verhandlungen sind am Laufen. Hier nützt dem ERP-Softwarehersteller der Kundenstamm, zu dem beispielsweise auch die Deutsche Bank oder die Bank Austria gehören. Dadurch entsteht zweifelsohne das Potential, der Schweizer EBPP-Lösung zum Durchbruch zu verhelfen. Deshalb darf man auf die Reaktion der Post gespannt sein.