Alex Piazza: EU wie Schweiz - Halbherzig gegen Spamming
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/43
Werben lässt sich bekanntlich auf verschiedene Arten. Die einen tun es mit breit angelegten, kostspieligen Medienkampagnen, die andern auf Kosten Dritter. Zur zweiten Kategorie zählt das sogenannte Spamming, das unverlangte Verbreiten von Massenwerbesendungen per E-Mail. Attraktiv ist diese Werbemethode insofern, als es den Versender im Vergleich zu den traditionellen Formen des Direktmarketings fast nichts kostet. Den Ärger und die Kosten haben die Empfänger und die Provider. Denn das Herunterladen und Aussortieren der unerwünschten Werbung verschlingt nicht nur Gebühren, sondern schmälert auch die Kapazität der Festplatte.
Am 13. November verabschiedete der EU-Ausschuss für Bürgerrechte und Justiz in erster Lesung eine Richtlinie, die es Online-Anbietern erlaubt, Konsumenten auch dann E-Mails zu senden, wenn diese vorher nicht ihre Bereitschaft dazu erklärt haben (Art. 13). Voraussetzung dafür ist lediglich eine funktionierende Antwortadresse, die es dem Empfänger ermöglicht, sich von der Mailingliste löschen zu lassen (Opt-out). Ursprünglich hatte die Europäische Kommission eine "Opt-in"-Regelung nach österreichischem Vorbild vorgeschlagen, die jeden Anbieter verpflichtet hätte, vor dem Zustellen von Nachrichten erst eine Genehmigung des Empfängers einzuholen. Schliesslich setzte sich aber - zum Leidwesen der Konsumentenschützer - die wirtschaftsfreundlichere Variante durch: Ein generelles Verbot spreche gegen das "Recht auf freie Meinungsäusserung"...
In die Pflicht genommen werden sollen gemäss der neuen Richtlinie "über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation" auch die Provider. Diese werden verpflichtet, geeignete technische (z. B. Filterprogramme) und vertragliche (z. B. Kennzeichnungspflicht in der Betreffzeile des Werbe-Mails) Vorkehrungen gegen Spamming zu treffen. Einzelne Provider sind in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen bereits dazu übergegangen, das Versenden unverlangter Massenpost über ihre Netzzugänge zu verbieten. Dem spammenden Kunden droht die Vertragsauflösung oder das Entrichten einer Konventionalstrafe.
In der Schweiz stehen dem Spam-geplagten Kunden grundsätzlich verschiedene rechtliche Möglichkeiten zur Verfügung. Laut Datenschutzgesetz (DSG) ist Werbung per E-Mail eigentlich nur dann zulässig, wenn sie im Einverständnis des Empfängers erfolgt. Die von Spammern benutzten E-Mail-Adressen sind in der Regel als Personendaten dem DSG unterstellt. Für Klagen und vorsorgliche Massnahmen zum Schutz der Persönlichkeit gelten die Artikel 28 ff. des Zivilgesetzbuches. Der Kläger kann insbesondere verlangen, dass seine Personendaten vernichtet werden oder dass ihre Bekanntgabe an Dritte gesperrt wird.
Ein weiteres Instrument gegen Spamming steht dem Konsumenten mit dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zur Hand. Nach Art. 3 lit. h UWG bedient sich ein Unternehmer, der den Kunden durch besonders aggressive Verkaufsmethoden in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt, unlauterer Wettbewerbs- und Verkaufsmethoden. In diesem Sinne befand die Schweizerische Lauterkeitskommission am 21. November zum ersten Mal in einem konkreten Fall das Versenden unverlangter E-Mail-Werbung für unlauter. In ihrem Entscheid taxierte sie ein unerwünschtes Werbe-Mail, das ohne Nachweis einer Kundenbeziehung verschickt wurde, als unzulässige "aggressive Verkaufsmethode". Zudem verstiess das Werbe-Mail wegen Verschleierung der Identität des Absenders gegen die Grundsätze der Kommission.
Entscheide eines staatlichen Gerichtes gibt es in der Schweiz, im Gegensatz zu Deutschland, allerdings noch keine. Kein Wunder: Für einen Konsumenten stehen bei der allfälligen Anstrengung eines Prozesses Aufwand und Ertrag in einem krassen Missverhältnis. Da auch die Selbstregulierungsbemühungen verschiedener Direktmarketing-Verbände schwarze Schafe nicht davon abhalten, zu spammen, ruhen die Hoffnungen der CH-Konsumenten auf einer im Juni 2000 eingereichten Motion von Nationalrätin Sommaruga, die den Bundesrat auffordert, "für wirkungsvolle Massnahmen zum Schutz vor unverlangten elektronischen Massenwerbesendungen" zu sorgen. Entgegengenommen hat der Bundesrat die Motion zwar - eine erste Chance zur konkreten Umsetzung hat er allerdings bereits verpasst: In dem anfangs Jahr in Vernehmlassung geschickten Bundesgesetz über den elektronischen Geschäftsverkehr ist von Spamming keine Rede.