Das Internet ist auf Sand gebaut
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/42
Wer glaubt, das Internet sei zuverlässig, ist naiv. Nun ist Naivität nicht strafbar, sie kann aber durchaus kostspielig sein. Teuer wird es nämlich dann, wenn das Internet
in der Firma bereits den Status eines unverzichtbaren Mediums erlangt hat. Dann merkt man, wie anfällig die an sich noch junge Technologie ist und wie wenig man sich auf sie verlassen kann. Und das Ausbügeln von Fehlern und Ausfällen kostet Zeit und Geld - viel Geld.
Unternehmen, die diese neuen Technologien anbieten, sehen das natürlich anders. Sie werden nicht müde, herunterzubeten, wie viel man durch voll integrierte Prozesse einsparen kann, welches Potential im Customer Relationship Management und im E-Business schlechthin schlummert. Das mag auch zu einem Teil gar nicht frei erfunden sein - aber die Tatsache bleibt bestehen, dass es noch ein weiter Weg ist bis dorthin. Wir werden noch viele Ausfälle erleben, bis das Internet und die darauf basierenden Technologien zuverlässig arbeiten. Und nicht nur das.
Das Jahr 2001 wird als ein äusserst virenreiches in die noch junge Internetgeschichte eingehen. Nun, Viren und anderes digitales Ungeziefer sind ja nicht nur schlecht. Sie zeigen nämlich die Schwächen von Systemen auf, denen man sonst blindlings vertrauen würde. Das soll nicht bedeuten, dass das Treiben der Hacker und Virenbastler grundsätzlich positiv ist. Aber es hat den angenehmen Nebeneffekt, dass selbst der ignoranteste Administrator nicht umhin kommt, sich mit der Sicherheit der Systeme auseinanderzusetzen, für die er verantwortlich ist.
Wenn man bedenkt, wie das Internet aufgebaut ist, dann kann man es als kleines Wunder bezeichnen, dass es nicht zu mehr Ausfällen kommt und Virenplagen nicht folgenschwerer sind. Das Netzwerk ist so komplex, dass kaum jemand das Ganze überblicken kann. Aufgeschreckt durch die Ereignisse des 11. Septembers und deren mögliche Fortsetzung im weltweiten Datennetz, wird in den USA der Internetsicherheit dieser Tage eine besonders grosse Aufmerksamkeit zuteil. Und siehe da: Die Internet-Behörde ICANN kommt zum Schluss, dass das Domain-Name-System nur ungenügend gegen Hackerattacken geschützt ist (ein Angriff hätte zur Folge, dass weite Teile des Internet und zigtausend Websites nicht mehr zugänglich wären). Und die Marktforscher von Gartner liessen letzte Woche verlauten, dass neben dem verwundbaren DNS auch weitere grundlegende Technologien wie HTTP oder TCP/IP nie und nimmer für ein Netzwerk dieses Ausmasses konzipiert worden sind, dass das Internet bis ins Jahr 2006 (!) ein unsicheres Medium bleiben wird und Firmen grössere Ausfälle einkalkulieren sollten (Seite 13).
Da haben wir den Salat. Alle sprachen von New Economy, Easy Money und zurück bleibt ein Netz, unsicherer als der erste Telegrafendraht im wilden Westen. Das muss man aber einfach pragmatisch sehen: Die neuen Technologien bieten viel Potential, man darf aber nicht gleich alle Hoffnungen an sie knüpfen. Und deshalb sollten Sie auch Ihre Faxgeräte noch für eine Weile behalten (das Telefonnetz funktioniert nach wie vor ziemlich zuverlässig). Und vor allem: Seien Sie nicht so naiv, zu glauben, das Internet sei eine sichere Sache - es könnte Sie teuer zu stehen kommen.