Nicolas Guillet: Linux - Drei Wünsche an eine gute Fee

Dass es über 200 Distributionen gibt, hat nicht nur Vorteile: Selbst die weit verbreiteten Ausgaben unterscheiden sich bei Installation und Konfiguration erheblich.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/31

     

Alleine schon die Tatsache, dass es in der Schweiz viele Entwickler, aber auch einige Anwender gibt, die Linux für das Ei des Kolumbus halten, macht stutzig. Geht es dabei um Technologie oder Ideologie? Denn auch für Betriebssysteme gilt: Jedes hat Vor- und Nachteile und seine spezifischen Anwendungsschwerpunkte. Es gibt kein Betriebssystem, das für alle Anwendungen ideal ist: Wer etwas anderes behauptet, ist für mich ziemlich unglaubwürdig - egal ob es sich um Linux, eine einzelne Linux-Distribution oder um ein anderes System handelt.



Die Technologie allein ist nicht massgeblich für Sinn oder Unsinn eines Anwendungsgebietes. Bei Linux ist zweifellos der Preis ein weiteres wichtiges Argument für seinen Einsatz - angesichts der drohenden Verschlechterung der Wirtschaftslage bestimmt auch nicht das allerschlechteste. Weil Linux Open Source ist und der General Public Licence (GPL) unterliegt, dürfte das unentgeltliche Lizenzmodell weiter Bestand haben.




Dass es über 200 Distributionen gibt, hat nicht nur Vorteile: Selbst die weit verbreiteten Ausgaben unterscheiden sich bei Installation und Konfiguration erheblich. Das führt auch bei Softwareherstellern etwa bei der Qualitätskontrolle zu spürbar grösserem Aufwand. Da kann auch die Linux Standard Base (LSB) nicht viel helfen: Die Standardisierungsbestrebungen dürften nur geringen Erfolg haben - zu unterschiedlich sind die Überzeugungen.


Linux vs. Windows: Der Desktop

Auf dem Client hat Linux keine Chance. Daran wird sich vorläufig nichts ändern. Trotzdem gibt es viele Enthusiasten, die überzeugt sind, dass es sich nur noch um Monate handeln könne, bis genügend Desktop-Applikationen verfügbar werden. Mindestens eine ebenso entscheidende Voraussetzung für den Linux-Erfolg ist genügendes Know-how bei den Endanwendern. Daran hapert es aber in vielen Fällen. Denn Windows ist immer noch ein wenig einfacher zu bedienen. Entscheidender ist aber, dass es sehr viele Anwender gibt, die Windows bereits genügend gut kennen, und die Frage nach dem Umstellungsaufwand ihre Berechtigung hat. All diese Kosten sind schnell höher als einige Lizenzgebühren - allerdings nur, wenn man nicht langfristig rechnet.



Selbst in Firmen und Institutionen, welche gerne auf Linux umsteigen würden, gibt es noch viele Programme, welche nur unter Windows laufen. Was passiert mit ihnen, wenn Linux installiert wird? Der Umweg, diese via Wine, Windows Terminal Server oder VMWare laufen zu lassen, ist nicht gerade ideal.





Linux vs. Windows: Der Server

Völlig anders zeigt sich hingegen die Situation im Serverbereich. Hier kennt Linux bereit jetzt eine ansehnliche Verbreitung, die sich noch weiter vergrössern wird. Logisch: Keine teuren Serverlizenzen müssen gekauft werden, und zudem ist ein genügend grosses Softwareangebot vorhanden. Ein Server erfüllt in der Regel einen einzigen Aufgabenbereich und muss nicht noch irgendwelche nur auf Windows laufenden Programme ausführen können. Dies sind ideale Voraussetzungen für Linux, zumal das dafür nötige Know-how bei vielen Systemadministratoren bereits vorhanden ist.



Ferner kann Linux auf dem Server gegenüber Windows gewichtige Vorteile wie grössere Stabilität, Sicherheit und mehr Leistung pro Hardware-Franken für sich verbuchen. Und seit Samba Version 2.2 kann ein Windows-Domänen-Controller viel einfacher imitiert werden, was gerade für heterogene Umgebungen mit Windows-Clients ein Supervorteil ist.




Diese und noch weitere Pluspunkte treffen ebenfalls auf Appliances und Embedded Systems zu. Kein Zweifel, dass Linux auch in diesen Bereichen eine grosse Verbreitung finden wird.




Kylix: Nur für Spezialfälle

Kylix ist ein Linux-Entwicklungstool von Borland, das Pendant zu Delphi. Es erlaubt, Delphi-Programme mit vergleichsweise geringem Aufwand so anzupassen, dass der gleiche Quellcode sowohl für Linux wie für Windows verwendet werden kann. Von der Grundidee ist das zwar überzeugend, aber Kylix ist dennoch nur für spezielle Fälle geeignet. Denn wer vor dem Problem steht, seine (Delphi)-Anwendungen nicht nur auf Windows laufen zu lassen, sollte eher von Anfang an eine Variante wählen, die vollständig plattformunabhängig ist, anstatt damit nur eine zusätzliche Plattform zu unterstützen.





Fazit

Zweifellos hat Linux sich einen festen Platz in der IT-Landschaft erobert. Man braucht kein Prophet zu sein, um für Linux ein weiteres Wachstum im Markt vorauszusagen. Hätte ich für Linux drei Wünsche frei, dann wären das, dass…



…es geringere Unterschiede zwischen den Distributionen gäbe.



…sich der "Markt" entweder für KDE oder Gnome entscheiden könnte und diese Obefläche dann spürbar verbessert würde.



…das File System nicht zwischen Gross- und Kleinschreibung unterscheiden würde.



Kennt jemand die E-Mail-Adresse einer guten Fee?



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