Nicolas Guillet: .Net im Mehrfrontenkrieg der Plattformen

Microsoft ist bezüglich einiger neuer Standards oder Modellen wie etwa beim ASP-Ansatz bereits über den eigenen Schatten gesprungen, beim Internet scheint der Spass bei den Redmondern aufzuhören.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/27

     

Wer sich die Geschichte von Microsoft vor Augen führt, dem springt eine Tatsache förmlich ins Gesicht: Der Erfolg von Microsoft gründete bisher immer auf dem Client-PC-Betriebssystem. Vielleicht ist das der Hauptgrund, warum es einigen Köpfen innerhalb von Microsoft so schwer fällt, von ihren traditionellen Denkweisen Abschied zu nehmen und in ein neues Zeitalter einzutreten.



Zwar ist Microsoft bezüglich einiger neuer Standards oder bei Modellen wie etwa beim ASP-Ansatz bereits über den eigenen Schatten gesprungen, aber beim Internet scheint der Spass bei den Redmondern definitiv aufzuhören. Wo immer es nur geht, wird an Windows festgehalten.
In .Net sind selbst dort Anknüpfungen an Windows vorhanden, wo man es am wenigsten vermuten würde. Ein Beispiel dafür sind die praktischen Validations bei den konzeptionell gut durchdachten WebForms. Damit lassen sich Regeln für Eingabefelder hinterlegen, die als automatisch erzeugtes JavaScript dem Anwender kurze Antwortzeiten bescheren, während sie auf dem Server automatisch nochmals verifiziert werden, was wiederum dem Programmierer das Leben erleichtert. Wer dabei - und das ist der Clou der Sache - in den Genuss der lokalen Validierungen mit einem anderen Browser als dem IE kommen will, hat allerdings Pech: Der automatische generierte JavaScript Code läuft nur mit dem Microsoft-Produkt.




Die Bemühungen, .Net auf Linux und andere Plattformen zu portieren (Projekt "Mono"), dürften kaum von Erfolg gekrönt sein. Sie sind im Prinzip nur eine willkommene Alibiübung. Wirklich gut laufen wird .Net nur auf Windows, und die Redmonder werden alles tun, damit das auch so bleibt. Wer seine Produkte auch auf einer anderen Plattform anbieten will, wäre besser damit bedient, von Anfang an auf Lösungen wie Java zu setzen, als eine Neuentwicklung mit .Net in Angriff zu nehmen.



Eine solche Entscheidung dürfte aber nicht leicht fallen. Wichtig wird dabei, ob es sich um einen ISV mit eigener Produktpalette oder um eine In-House-Applikation eines grossen Unternehmens handelt. Im ersten Fall bietet Java gegenüber der Windows-Plattform mehr Vorteile, im zweiten könnte .Net durchaus die bessere Alternative sein, sofern Firmenpolitik und Budget solches zulassen. Das aktuelle Geplänkel, ob Java in XP mitgeliefert wird oder nicht, dürfte bei solchen langfristigen Entscheidungen jedoch sowieso kaum eine Rolle spielen.



Microsoft mag es ja durch viele kluge Schachzüge gelingen, die Plattform der Kunden zu bestimmen. Das Voraussetzen von Windows und .Net bei den Kunden der Kunden ist hingegen zum Scheitern verurteilt. Langfristig dürfte solches Denken sogar kontraproduktiv werden.



Es ist gefährlich, die rasante Entwicklung der Hardware zu unterschätzen. Die neuesten Errungenschaften betreffend Geschwindigkeit, Stromverbrauch, Speicherplatz, Grösse und vor allem den Wireless-Anschluss ans Internet werden den Markt erheblich durcheinanderwirbeln, und die Anwender nach Software für diese Geräte schreien lassen. Software, welche bisher vor allem auf dem PC lief.



Das Problem ist nicht, dass Windows vom PC verdrängt wird. Diese Kombination dürfte sich noch länger halten. Das Problem ist, dass die Anwender auch beim aufkommenden Funkbereich ihre Programme, welche heute nur auf dem PC laufen, auch auf dem Handy oder dem PDA unterwegs benutzen wollen. Dafür aber ist .Net schlecht geeignet, gerade weil es sich so stark an Windows anlehnt. Wer also Anwendungen entwickeln will, die für die neuen Rechnertypen offen sein sollen, dem sei .Net nur bedingt empfohlen.



Java läuft hervorragend auf Epoc, welches in vielen der neuen tragbaren Geräte zum Einsatz kommt, ebenso wie auf Linux und auch auf vielen anderen Plattformen. .Net jedoch verträgt sich nur mit Windows, von Browseranwendungen abgesehen.



Bereits heute wird in Redmond mit unterschiedlichen Resultaten versucht, diese zukünftige Entwicklung so gut es geht abzufedern, indem in Bereichen, welche nicht zum klassischen Client-PC-Betriebssystem zählen, erste Claims gesetzt werden: Dazu zählen Windows CE mit Stinger, Embedded Windows, MSN, Hotmail, IM und sowie Hailstorm mit Passport.
Damit steht .Net nicht nur mit anderen Plattformen in Konkurrenz, sondern auch mit anderen Sprachen und Services. Das ist ein Mehrfrontenkrieg, den die Leute aus Redmond auf mehreren Ebenen und gegen unterschiedliche Konkurrenten - und gegen den Trend - führen. Good luck, .Net.




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