Editorial

Ein Mobiltelefon für nur vier Personen


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/11

     

Unsere Kommunikations-Umwelt hat sich sehr schnell massiv ausgeweitet. Das einsame Festnetztelefon hat mehreren Fix- und Mobilgeräten, E-Mail, Instant Messaging (IM) und weiteren interaktiven Kanälen wie Blogs Platz gemacht. Das wirft folgende Fragen auf: «Spezialisieren» die Leute ihre Nutzung der verschiedenen Kommunikationskanäle? Werden die Kanäle je nach Inhalt, Kommunikationspartner und Gewohnheit unterschiedlich genutzt? Beeinflussen neue Kanäle die Nutzung der bestehenden Kommunikationsmittel?
Die Ethnologin Stefana Broadbent beantwortet diese Fragen mit einem klaren «Ja». Sie arbeitet bei Swisscom Innovations in Bern und untersucht dort die wirtschaftlichen und sozialen Aspekte der Telekommunikation. Zusammen mit ihrem Team hat sie die Kommunikationsgewohnheiten von über 200 Heimanwendern in der Schweiz erforscht. Ihr Fazit: Die Leute sind sehr gewandt darin, das beste Medium für die entsprechende Situation auszuwählen. «Mit SMS sage ich, dass ich Dich vermisse, mit E-Mail organisiere ich unser Nachtessen, via Telefon melde ich, dass ich zu spät komme, und IM dient dazu, unsere Konversation fortzusetzen», sagt Broadbent mit einem Augenzwinkern. Im Einzelnen bedeutet das:


• Das Festnetztelefon ist der kollektive Kanal, ein gemeinsames Organisations-Tool für den gesamten Haushalt. Die meisten Anrufe werden «öffentlich» getätigt, weil sie auch für die anderen Haushaltmitglieder relevant sind.


• Das Mobiltelefon ist der «Mikrokoordinations-Kanal». Es dient Last-minute-Anpassungen von Treffen und Abmachungen. Broadbent hat eine überraschende Erkenntnis in Sachen Mobilkommunikation parat: «80 Prozent der Interaktionen via Handy finden mit bloss vier Personen statt.»


• SMS ist der intime Kanal. Nur der engste Freundes- und Familienkreis wird via SMS kontaktiert.


• E-Mail ist der administrative Kanal, der Online-Aktivitäten wie Reisebuchungen und Shopping unterstützt. Ausserdem dient er
der Koordination mit erweiterten sozialen Gruppen.


• IM und VoIP sind die «beständigen Kanäle». Die Anwender öffnen IM und lassen es dann im Hintergrund laufen, während sie anderen Aktivitäten nachgehen. Sie praktizieren also Multitasking. Bei VoIP - Stichwort Skype - zeichnet sich ein ähnliches Verhalten ab.


• Blogging schliesslich ist der erweiterte Networking-Kanal.
Bei der Sache mit dem Handy und den vier Personen hake ich nach. Die Ethnologin erklärt aber, dass sie sich darin sicher sei. «Vielleicht sind es auch fünf. Aber der Sachverhalt wird in mehreren Studien bestätigt, auch durch Forschungen in anderen Ländern», sagt sie. Schliesslich will ich noch wissen, welche Rolle die Kosten beim Wechsel vom einen zum anderen Kanal spielen. «Die sind in vielen Situationen sekundär. Zum Beispiel bei den Handy-Anrufen von zu Hause aus. Das ist oft einfach praktischer, weil die Nummern dort schon gespeichert sind», so Broadbent.




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