Editorial

Mehr Nachwuchsförderung bei den Fachverbänden!


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/08

     

SwissICT ist neben der SI (Schweizer Informatik Gesellschaft) einer der beiden grossen Informatikverbände der Schweiz. Beide haben rund 2000 Mitglieder. SwissICT-Mitglieder haben vor einigen Tagen eine E-Mail erhalten, worin Barbara Schiesser, die neue SwissICT-Geschäftsleiterin, einige Zielvorstellungen für ihre neue Tätigkeit präsentiert. Dabei ist mir folgender Textteil aufgefallen: «Zu einer erfolgreichen Verbandsführung gehört für mich selbstverständlich auch die Gewinnung und Förderung des Nachwuchses. Wir werden deswegen unser Dienstleistungsangebot für Lehrlinge und Studenten weiter ausbauen.» Ein löbliches Vorhaben! Ich erlaube mir dazu aber einige Kommentare.



1. Wer ist unser Nachwuchs? Das sind zuallererst jene jungen Leute, die in einer vierjährigen Informatiklehre stecken oder diese vor kurzem abgeschlossen haben. Diese Ausbildung gibt es noch nicht allzu lange. Die ersten 30 Informatiker haben ihre Lehre 1997 beendet. Dann stieg die Zahl der neuen Lehrverträge pro Jahr erfreulich rasch und erreichte 2001 mit 2680 den bisherigen Höchststand. Inzwischen ist diese Zahl auf etwa 1500 gefallen, eine Folge des Einbruchs der Konjunktur. Trotz Lehrabbrüchen (geschätzte 10 Prozent) erhalten somit heute jährlich zwischen 1400 und 2400 gut ausgebildete Junge ihr Fähigkeitszeugnis, bereit für den Arbeitsmarkt oder weiterführende Schulen. Diese Zahl ist - wiederum leider - klein gegenüber dem Ersatzbedarf des Informatikbereichs (mindestens 5000 pro Jahr), aber sie ist mehr als doppelt so hoch wie die Absolventenzahlen aus dem Hochschulbereich (ETH/Uni und Fachhochschulen/FH zusammen).




2. Welche Fachverbände könnten sich um diesen Nachwuchs kümmern? In der SwissICT sind vor allem Informatiker mit eidg. Fachdiplom organisiert, in der SI hingegen eher Absolventen von ETH/Uni und FH, in einem dritten Schweizer Verband, dem VIW, Informatik-Projektleiter mit Berufsprüfung. Diese Verbände vereinigen somit vor allem Absolventen einer bestimmten Ausbildung auf Terziärstufe (Hochschule, höhere Berufsprüfungen), haben ihre eigenen Verbandskulturen und gewinnen Neumitglieder am erfolgreichsten gleich beim Erwerb der Diplome. Vom Boom bei der Informatiklehre haben sie aber nicht profitiert. Ihre Mitgliederzahlen stagnieren, obwohl neu Tausende von jungen Informatikern ihre Berufsausbildung beendet haben und eigentlich eine Fachverbands-Heimat brauchen könnten.



3. Die 20-jährigen Absolventen einer Informatik-Berufslehre passen - trotz ihrer guten, vierjährigen Ausbildung - (noch) nicht in diese existierenden Verbandskulturen. Diese jungen Leute müssen vermutlich anders angesprochen werden als mit einer freundlichen Einladung, einem etablierten Verband «höherer Fachleute» beizutreten. Wie dieses Angebot für Junge aussehen müsste, ist noch zu entdecken. Sinnvoll wäre wohl eine Zusammenarbeit der erwähnten Verbände, die bereits heute unter dem Dach von ICTswitzerland kooperieren.



Ich wünsche daher der neuen Geschäftsleiterin von SwissICT viel Erfolg, namentlich bei der Nachwuchsförderung.




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